Aux Bords de la Loire – An den Ufern der Loire VIII

Kapitel 8 – Unbekanntes Belgien

Der 1. Mai fiel im Jahr 2000 auf einen Montag. Grund genug für uns, unser Ritual wieder zu vollziehen, Freitagsnachmittag von unserem Leeraner Büro aus zu einem Kurztripp zu starten. Während wir bei uns noch relativ schönes Wetter hatten, wurde das mit zunehmender Entfernung schlechter. Wir hatten uns ein Hotel in der Nähe von Antwerpen gebucht. Nach wenigen Stunden Fahrt kamen wir da an. Die Freude auf einen gemütlichen Feierabend-Drink in der Hotelbar war groß, jedoch hatte das Hotel keine Bar. Daher genossen wir an diesem Abend das Essen im Restaurant etwas länger. Wir probierten zum ersten Mal ein Straußensteak. Leider hatten die das hier nicht so gut drauf. Das Steak war relativ zäh. Als wir aus dem Restaurant kamen, das in einem separaten Gebäude untergebracht war, mussten wir durch strömenden Regen über den Platz laufen und befürchteten für die nächsten Tage das Schlimmste wegen des Wetters.

Wie könnte es auch anders sein. Nach einem ausgiebigen Frühstück in aller Frühe, fuhren wir los, um Belgien zu erkunden. Belgien kannten wir bisher nur von der nachts durchgehend beleuchteten Autobahn, wenn wir nach Frankreich fuhren. Hier war Belgien alles andere als schön. Plötzlich entdeckten wir das schöne Belgien. Belgien hatte alles zu bieten – Strand, Berge, Abteien, Schlösser – und natürlich Bier. Für den Abend deckten wir uns mit Bier und Wein ein, denn wir hatten ja keine Hotelbar. Ein paar kleine “Schweinereien” holten wir uns natürlich dazu. Hier nennt man das “Bittergarnitur”. Eigentlich waren das die Bitterballen, kleine, frittierte Fleischbällchen, die zum Bier gereicht werden. Man dehnte das im Laufe der Zeit aus, indem auch kleine Häppchen mit Käse und Wurst sowie eine kleine Frühlingsrolle dazu gereicht wurden. Das “Bitter” im Namen kommt zustande, da ursprünglich diese Ballen, also Bällchen, zum Magenbitter (flämisch: bittertje) gereicht wurden. Ein Rezept gibt es hier natürlich auch.

In diesen wenigen Tagen in Belgien lernten wir Land, Leute, Bier und Spezialitäten kennen. Es gefiel uns dort. Eine Geschichte, die schon viele unserer Kunden bei Verkostungsabenden gehört haben, war der Moment, in dem Agnes das Bier schätzen lernte. Wein war und ist in Belgien sehr teuer. Das liegt hauptsächlich an der hohen Besteuerung. Bei Bier ist das alles viel moderater. So kamen wir eines Tages in die Abtei von Maredsous im westlichen Belgien. Eine Abtei, die wir zunächst nur besichtigen wollten. Dann stellte sich aber heraus, dass die Abtei entgegen denen, die wir bis jetzt gesehen hatten, sehr dunkel war und man nur die Kirche besichtigen konnte. Aber – einen Biergarten hatten die! Also holten wir uns das dunkle Bier in Steinkrügen gezapft und dazu Käsewürfel mit Selleriesalz. Im Garten genossen wir das Bier. Dazu dippte man die Käsewürfel kurz in das Selleriesalz – ein Genuss, den wir bis heute schätzen. Für Agnes war das auch ein Aha-Erlebnis, da sie seither Bier trinkt, natürlich das belgische. Da für uns in Deutschland, speziell in Norddeutschland, Bier nur als Pils (und hier meist nur die “Industriebiere”, die alle gleich schmecken) bekannt zu sein scheint, sagen viele von vorneherein – nein, ich trinke kein Bier. Gemeint ist aber Pils. Die tolle Vielfalt der belgischen Biere führt dann aber meistens dazu, dass man das erkennt und plötzlich doch Bier mag.

Im Juli zog es uns dann wieder nach Frankreich, genau genommen nach Chatillon. Da wir aber unseren Wohnwagen verkauft hatten, entschieden wir uns für ein kleines Hotel in traumhafter Lage. Es war das Hotel direkt neben einem sogenannten Aquädukt, der Kanalbrücke über die Loire in Briare. Niemand geringeres als Gustave Eiffel hatte diese Brücke gebaut. Es ist der Canal Lateral, der durch das Tal der Loire führt, weil die Loire schon lange nicht mehr schiffbar ist. Dieser Kanal läuft nicht nur über diese Brücke, sondern wird auch mit vielen Schleusen über Berge geleitet. An einer Stelle in der Nähe klettert der Kanal mit nicht weniger als sieben Schleusen hintereinander über einen Berg.

Wir besuchten natürlich Jean und Bernadette auf dem Campingplatz und liefen dort auch noch einmal an der Loire entlang. Viele glückliche Stunden hatten wir hier verbracht. Aber wie heißt es so schön: alles hat seine Zeit. Wir dürfen dabei natürlich auch nicht vergessen, dass wir zwischenzeitlich auch einmal ziemlich genervt waren von Günter oder auch den Gruppen, die gerade im CVJM-Camp ihr Unwesen trieben. Da gab es dann auch schon mal mitten in der Nacht einen “Regentanz” um unseren Wohnwagen. Das waren eben weniger schöne Zeiten. Mit Jean und Bernadette jedoch verband uns immer noch eine Art Freundschaft. Wann immer wir hier waren, kamen wir vorbei und Jean rief sofort: “Bonjour! Petite trink?” Klar, ein kleiner Drink, wenn auch alkoholfrei, bei dem wir uns in Halb-und-Halb-Sprache über alte Zeiten unterhielten. Während der Zeit in Briare merkten wir, dass wir immer noch viele weiße Flecken auf der Landkarte hatten, teilweise sogar in direkter Umgebung. Also gab es immer wieder viel zu sehen. Gerne kauften wir uns ein paar nette Leckereien, mit denen wir uns tagsüber selbst versorgten. Am Abend aber wurde im Hotel mit Blick auf die romantische Kanalbrücke aus einer längst vergangenen Zeit gegessen. Schließlich hatten wir Halbpension gebucht. Und beim Essen hielten wir es stets mit unserer Abenteuerlust. Immerhin wussten wir, dass die Franzosen das auch alles essen und nicht daran gestorben sind. Am ersten Abend jedoch gab es etwas, das wir auf der Karte als Kalbskopfsülze identifizierten. War auch wohl so. Tatsächlich schienen die einen Kalbskopf einfach scheibchenweise zerschnitten und mit Sülze gefüllt zu haben. Das war das Schlimmste, was wir je in Frankreich gegessen hatten. Um es vorsichtig zu formulieren, ich musste einmal mit aller Gewalt gegen den Willen meines Magens schlucken, um zu verhindern, dass der das herauswirft, was ich vorher hineingeworfen hatte. Die weiteren Gerichte waren dann wieder normal. Am nächsten Abend entschieden wir uns dann für Schnecken. Nun ja, sicher nicht das Lieblingsgericht der Deutschen. Wir waren hier aber direkt an der Grenze zu Burgund – und die können das. Während wir Deutsche die Schnecken nur im Gehäuse mit viel Kräuterbutter essen und dabei eigentlich nur die Kräuterbutter schmecken, kennen die Franzosen natürlich auch andere Zubereitungsweisen. Wichtig ist, dass man weiß, dass Weinbergschnecken aus einem festen Fleisch, einer Art Muskelfleisch bestehen und nicht weich und glibberig sind. Was man daraus machen kann, zeigt auch mein Rezept dazu.

Eine gigantische Besichtigung war dann auch in diesem Kurzurlaub angesagt. Wir besichtigten die Abtei Fontenay in Burgund, eine der ältesten und besterhaltendsten Abteien der Zisterzienser überhaupt. Die vollständig erhaltene Schmiede aus dem 12. Jahrhundert war quasi die erste industrielle Fertigungsstätte. Mit dieser Besichtigung hatte man in uns die Leidenschaft für Abteien geweckt.

Diese Frankreichfahrt endete damit, dass wir auf der Rücktour noch einmal nach Paris fuhren, um dort unser Hotel, das wir für Silvester gebucht hatten, anzuschauen. Was wir nicht wussten, war, dass an eben diesem Tag die Tour de France ihre letzte Etappe fuhr, die in Paris endete. Vieles war abgesperrt und auf der Champs Èliysée hatten wir eine Weile die Gelegenheit, die Fahrer aus etwa 2 Meter Entfernung vorbeifahren zu sehen. Insgesamt hatten wir ein tolles Jahr. Wir erlebten Belgien und natürlich auch wieder Frankreich. Und genau genommen endete das 20. Jahrhundert ja auch erst am 31.12.2000. Und diesen Tag verbrachten wir in Paris.

Bevor wir aber nach Paris fuhren, eskalierte meine Liebe zum Kochen. In unserem Weihnachtsmenü – übrigens wirklich nur für uns Zwei gekocht, verarbeitete ich bekannte Gerichte, die wir schon auf unseren Reisen kennengelernt hatten und auch neue Gerichte, die wir erst viel später auf unseren Reisen kennenlernen würden. Und das war das Menü im Einzelnen (für ´s Rezept einach drauf klicken):

 

Das Jahr 2000 beendeten wir dann nur wenige Tage später in unserer Traumstadt Paris.Mit unserer kleinen Loulou erlebten wir diese Stadt in der wunderbaren Jahresendstimmung, die wir so liebten. Überall künstliche Eisflächen, die größte vor dem Pariser Rathaus, die spektakulärste im 5. oder 6. Stock auf dem bekannten Kaufhaus Printemps.Für diese Welt war es das wohl letzte unbekümmerte Silvesterfest. Wir verbrachten es auf dem Champs du Mars vor dem Eiffelturm, der kurz vor 0.00 Uhr, dem Ende des 20. Jahrhunderts komplett verdunkelt wurde und dann die ganze Nacht hindurch mit vielen flackernden Lichter erstrahlte. Loulou verbrachte den Abend alleine im Hotelzimmer – mit einer kleinen Schlaftablette. Wir planten schon für das nächste Jahr. Wir wollten wieder nach Frankreich fahren und endlich wieder zwei Wochen im Sommer durch unser Lieblingsland fahren. Doch dann begann etwas, was wir eigentlich zuerst nicht richtig wahr nahmen. In ganz Europa brach die Maul- und Klauenseuche aus. Sehr lange durften wir mit Loulou nicht nach Holland, Belgien oder Frankreich. Bei der Einreise nach Frankreich hätte es zwar kein Problem gegeben, aber bei der Ausreise hätte sie für 4 Wochen in Quarantäne müssen. So ein Schwachsinn! Statt der geplanten Frankreichfahrt zu Ostern fuhren wir nach Schwerin und statt der geplanten Frankreichfahrt im Sommer entschieden wir uns dann für Italien, auch noch ein weißer Fleck auf unserer Landkarte. Dort wurde die Quarantäneregelung als erstes aufgehoben. Das hatte mit den hohen Temperaturen zu tun, bei der die Maul- und Klauenseuche sich nicht mehr ausbreiten konnte. So also verdankten wir Loulou, für die wir natürlich alles taten, eine Tour, die wir nie wieder vergessen würden, auch weil wir das Glück hatten, eine perfekte Route und die dazugehörigen Hotels ausgesucht zu haben. Die Rezepte, die ich inspiriert vom italienischen Essen zu sammeln begann, funktionieren bis heute. Einige davon haben unsere Gäste auch schon auf den Events probiert. Und einige davon gibt es im nächsten Kapitel.

Im nächsten Kapitel gibt es viel aus Italien, natürlich Rezepte und auch wieder die Rezepte meines kompletten Weihnachtsmenüs. Das 9. Kapitel ist einem Freund aus England gewidmet, der leider nicht mehr unter uns weilt. Nach diesem 9. Kapitel geht unsere Geschichte in eine kleine Sommerpause und erscheint erst wieder Anfang September. Bis dahin beschäftigt uns nämlich der Mega-Sommer bei Gourmet Flamand mit vier großen Events.

Und wie immer: Diese Story ist natürlich kostenlos, wie all die Rezepte, die sie hervor bringt und noch bringen wird. Wem es gefällt, der denkt vielleicht einmal mit einer kleinen Spende in unsere Kaffeekasse an uns. Einfach auf den Button drücken – und keine Angst, wir versteuern das ordnungsgemäß.

Aux Bords de la Loire – An den Ufern der Loire VII

Kapitel 7 – Ein Jahrtausend verabschiedet sich

Wie oft haben wir alle eigentlich von diesem sagenumwobenen Jahr 2000 geredet. Je weiter es weg war, umso futuristischer hat man es ausgemalt. Es würde nur noch Autos geben, die fliegen, wir Menschen selbst brauchen gar nicht mehr zu arbeiten, Roboter erledigen das für uns. Auf bloßen Zuruf reagieren Computer – kannten wir ja schon vom Raumschiff Enterprise. Und Essen? Nur noch Pillen, warum sich mit mehr aufhalten. Als wir das Jahr 1999 schrieben, wurden diese Mutmaßungen deutlich weniger, denn da wusste man, dass diese radikalen Veränderungen nicht über Nacht kommen konnten. Und was unsere Ernährung angeht, so ist gerade in den Folgejahren eine neue Esskultur entstanden, die sich stets weiterentwickelt.

Unsere letzte Reise in den 90ern führte uns nach London. Für uns bisher ein weißer Fleck auf der Landkarte. Wir waren eine Woche vor Weihnachten dort und erlebten eine ganz besondere Zeit. Also – London, wir kommen!

Wie ich ja schon geschrieben hatte, nutzten wir zum ersten Mal das Internet, um eine Reise komplett zu buchen und zu planen. Die Reise nach London war außerdem verhältnismäßig teuer, denn London galt schon damals als teuerste europäische Metropole. Daher wollten wir jede Minute dort optimal nutzen. Wir buchten den Flug über die britische Fluggesellschaft British Midland, mit der wir am 16. Dezember 1999 von Amsterdam nach London flogen. Vom riesigen Flughafen Heathrow aus hatten wir dann nach der Landung noch etwa 1½ Stunden Fahrt mit der U-Bahn bis zur Euston-Station, einem Bahnhof, der sich direkt neben dem Hotel Ibis befand, welches wir für den Aufenthalt wegen der guten Ausgangslage und eines einigermaßen erträglichen Preises gebucht hatten.

Kurz bevor es dunkel wurde, mussten wir noch einige Warteschleifen über London fliegen. Da sahen wir bereits alle Sehenswürdigkeiten, die man so kannte von oben. Zunächst fuhren wir durch die Außenbezirke langsam mit der U-Bahn in die Innenstadt. Dabei fuhren wir auch sehr viel überirdisch. Alte Bahnhöfe, alte Häuser, alles wie bei Edgar Wallace und Miss Marple. Als wir dann in der Innenstadt umsteigen mussten, erwischte uns die Rush-Hour. Tausende leifen durch die unterirdischen U-Bahn-Gänge, aber immer mit äußerster Disziplin. Wir musste uns noch daran gewöhnen, dass man hier nicht rechts sondern links läuft. Etwa zwei Stunden nach unserer Landung kamen wir dann im Hotel an und richteten uns dort ein. Danach ging es sofort los in die Stadt. Wir liefen einfach los und sahen an diesem Abend erst den Big Ben, dann den Picadilly-Circus und landeten schließlich in einem Steakhouse, wo man eigentlich ganz gut essen konnte. Die Britten haben es nun einmal nicht so mit der Essenszubereitung. Es gibt durchaus tolle Spezialitäten, jedoch die durchschnittliche Küche ist für unseren Gaumen doch sehr gewöhnungsbedürftig.

Fish and Chips, das wohl bekannteste Gericht aus England. Es gibt es fast in jeder Kneipe und nicht immer sieht das so gut aus, wie oben auf dem Bild. Überhaupt, vieles ist dort anders. Die Kneipen, also die Pubs, sind Freitags nach Dienstschluss gerammelt voll, dafür am Samstag eher leer. Man braucht nicht auf die Bedienung warten, die kommt nicht. Man geht an die Theke, bestellt, bezahlt und bekommt Getränk und Essen. Aber egal, ob voll besetzt oder leer, um 23.00 Uhr läutet der Wirt die Glocke und ruft: “Last order, please!”. Dann kann man noch einmal bestellen und noch einmal in Ruhe austrinken.

Wir waren damals kurz vor Weihnachten in London und überall war es so kitschig, dass es schon wieder schön war. Wir wussten damals noch nicht, dass wir ein letztes Mal eine entspannte Atmosphäre in einer solchen Großstadt erleben würden. Denn damals war der 11. September noch nicht denkbar. Menschen freuten sich auf Weihnachten. Besonders schön waren der Covent Garden und natürlich Harrods.

 

Die ehemaligen Markthallen von Covent Garden bieten ein wunderbares Ambiente

Alleine bei Harrods, dem Kaufhaus, das alles hat – vom Bleistift bis zum Sarg – hätten wir uns einen ganzen Tag aufhalten können. In jedem Schaufenster waren Märchen dekoriert, alles wunderbar beleuchtet. Und alles sah aus, als ob Mr. Bean gleich um die Ecke kommen würde. Natürlich kauften wir eine Kleinigkeit und waren stolz auf unsere Harrods-Tasche. So besichtigten wir London von morgens bis spät abends und am Ende stand dann am Sonntag, unserem letzten Tag Madame Tussaud auf dem Programm. Glücklicherweise hatten wir über Internet gebucht und konnten an der Schlange vorbei laufen, was einige nicht verstanden. Der Gang durch die Ausstellung war atemberaubend, wenn auch nicht so schön, wie in der Zweigstelle in Amsterdam. Doch dieses Museum war schließlich der Ursprung. Gegen Abend fuhren wir dann zum Flughafen und mussten dort wegen einer ziemlichen Verspätung lange ausharren. Erst gegen 0.30 Uhr waren wir zurück in Amsterdam. Jetzt mussten wir noch wegen des Eisregens über aalglatte Autobahnen nach Hause fahren, wo uns um 4.30 Uhr unsere kleine Loulou fröhlich begrüßte.

Na ja – was haben wir nun in Punkto Essen von den Engländern gelernt? Eigentlich nichts. Denn wenn man mit einem “normalen Geldbeutel” nach London fährt, wird man hochwertige Speisen nicht bekommen. Eines war ganz sicher super, auch wenn ich Ostfriese bin. Der englische Frühstückstee, ein Genuss den ganzen Tag lang. Und da war ja auch noch das English Breakfast. So wie auf dem Bild sah ein Angebot auf dem Flughafen aus, das man den ganzen Tag bekommen konnte. Ich verkniff mir das, denn ich wusste ja schon, wie z. B. die Baked Beans schmecken, nämlich nach Nichts. Daher hier ein Rezept für Baked Beans, das ich mir für Gourmet Flamand ausgedacht habe.

Noch 11 Tage bis Silvester. Horrorgeschichten häuften sich. Vom Computervirus, der sofort beim Einschalten am 1. Januar 2000 alles zunichte machen würde, bis hin zum Weltuntergang. Und wir? Vor zwei Jahren hatten wir in einem gut gelegenen Hotel in Paris für eben dieses besondere Silvesterfest nicht weniger als 10 Doppelzimmer gebucht. Wir hätten damit sicher Geld machen können, wenn wir die weiter gegeben hätten. Doch was machen wir? Wir ziehen es vor, diese Zimmer zu stornieren (das Hotel hat sich bestimmt gefreut, denn für die Zimmer bekamen sie sicher viel mehr Geld) und buchen ein Zimmer in einem großen Hotel in Akerslot bei Amsterdam. Essen konnte man gar nicht in dem Hotel an diesem Abend, geboten wurde auch nichts. Also saßen wir zu Viert vor dem Fernseher, aßen von einem selbstaufgestellten Buffet mit lauter holländischen Fertigsachen. Dazu gab ´s Dosenbier und um 0.00 Uhr natürlich Sekt. So unspektakulär hätten wir uns das nun nicht vorgestellt, denn überall auf der Welt wurde ohne Ende gefeiert – natürlich auch in Paris. Dort hatten wir die Silvesterfeier des Jahrtausends verpasst, genauso, wie seinerzeit das 100jährige Jubiläum des Eifelturms. Unsere Strandspaziergänge am nächsten Tag entschädigten uns natürlich etwas, doch eigentlich haben wir diesen Abend aus unserem Gedächtnis gestrichen.

Ein neues Jahr, ein neues Jahrzehnt, ein neues Jahrhundert, ein neues Jahrtausend! Man muss sich das vorstellen. Nur wenige Menschen haben das Glück so etwas zu erleben. Aber in diesem Moment sieht man das gar nicht so. Das neue Jahrhundert würde viele Veränderungen bringen, leider auch schon sehr bald einen Anschlag auf das World Trade Center in New York, nach dem die Welt nie wieder so sein würde wie sie war. Eigentlich hatten wir Menschen doch in all den Ausblicken auf das noch so ferne Jahr 2000 darauf gehofft, keine Kriege mehr zu führen und in einer Welt zu leben. Trotzdem plagen uns weiterhin Kriege, Armut, Hungersnöte, oft nur durch die Uneinsichtigkeit wirrer Ideologen – und das in Ost und West (obwohl es das doch nicht mehr geben dürfte). Das Elend vergangener Kriege, Krisen und Probleme vergisst man offenbar sehr schnell. Als 1989 die Berliner Mauer fiel, die zusammen mit der verminten Grenze so unsagbar viel Leid gebracht hatte, als die Stasi, die so vielen Menschen Not, Elend und Tot gebracht hatte endlich aufhörte zu existieren, da lagen wir uns alle vor Freude weinend in den Armen. Im Jahr 2000 hatten wir die für unmöglich gehaltene Deutsche Einheit schon 10 Jahre, mittlerweile haben wir das 25jährige Jubiläum gefeiert und trotzdem schimpfen wir heute fast nur noch aufeinander. Schuld haben auch hier ganz oft die ewig Gestrigen. Positiv denken ist nicht die Stärke von uns Deutschen. Leider ist das immer mehr eskaliert, weil für uns Deutsche nur noch eine schlechte Nachricht eine gute Nachricht ist und es uns wichtig ist nur noch nach den Fehlern der Anderen zu suchen. Nicht nur so leben ganze Heere von Anwälten und Firmen von den Fehlern, die man nun mal macht, durch Abmahnungen. Können die eigentlich noch in den Spiegel schauen? Ich glaube nicht. Da würde denen ja schlecht werden. Also, was nun ist in der neuen Welt anders? Technik und Fortschritt. Beide positiv genutzt geben Sie uns eine neue Lebensqualität – nur auf eines müssen wir achten: das alles und die Wirrköpfe dürfen uns nicht aus dem Ruder laufen! Unsere Welt ist nämlich wirklich schön. Wir nehmen es nur nicht immer war. Im Jahr 2000 war für mich, der die Mauer und die Grenze seit er Denken kann mit allen ihren schrecklichen Seiten gesehen hatte, er erhebenste Moment, als ich mit unserem Auto durch das Brandenburger Tor fahren durfte. Das geht heute nicht mehr – aber ich freue mich, dass ich das erleben durfte.

Wir bleiben jetzt noch mal kurz beim Stichwort Berlin. Diese wunderbare alte Stadt. Wer hat noch nie Liza Minelli gehört, wenn sie “Welcom to the cabaret” sang, dieses Musical, das so einmalig diese Stadt im Wandel der Zeiten beschreibt. Diese Stadt, die so tolerant und weltoffen war und heute wieder ist, wie kaum eine andere Stadt auf der Welt. Sie hat uns auch die Gemütlichkeit ins Leben zurück gebracht. Feine, kleine Kneipen und Restaurants, einmalige Ideen rund um ´s Essen und Trinken. Natürlich hat mich das auch zu einem Gourmet Flamand-Gericht hinreißen lassen. Angelehnt an ein altes Berliner Rezept entstand die Alt-Berliner Wirtshauspfanne.

Und dann hatten wir noch eine unsinnige Idee, die nur auf einem falschen Pflichtbewusstsein basierte. Wir glaubten, wir würden Kunden verprellen, wenn die uns nicht immer erreichen könnten. Also entschlossen wir uns, in diesem Jahr 2000 dazu, nicht in Urlaub zu fahren, sondern nur Wochenendfahrten zu machen. Wir hatten unser Büro in Leer Freitags bis 16.00 Uhr geöffnet. Wir wissen heute, dass das Unsinn war, denn ich verkaufte ja Versicherungen und nicht lebenswichtige Medikamente. Je nachdem, ob wir ein längeres Wochenende, wie z. B. Pfingsten oder aber ein normales Wochenende vor uns hatten, planten wir die Reise. Sie begann am Freitagnachmittag und endete am Sonntagabend oder eben am Montagabend. So lief das dann ab: Zunächst fuhr Agnes nach Hause und packte die Reisetasche, stellte alles bereit. Dann fuhr ich so gegen 15.00 Uhr nach Hause, während Agnes wieder im Büro Dienst machte. Ich packte noch notwendige Sachen zusammen und lud alles ins Auto, fuhr nach Leer zurück und gegen 16.00 Uhr gab es dann ein alkoholfreies Bier im Büro als Einstimmung für das Wochenende. Dann ging es los und ehe wir uns versahen, war das Wochenende vorbei. Am Ende haben unsere Wochenendfahrten mehr Geld gekostet, als ein 14tägiger Urlaub. Nur eines lernten wir damals kennen: Belgien und Nordfrankreich. Diese Landstriche sollten unser Leben später noch einmal völlig verändern.

 

In der nächsten Woche geht es weiter mit belgischen Eigenarten, Bier – und warum man in Belgien besser Bier als Wein trinkt. Natürlich gibt es auch typische Rezepte. Ebenso gibt es unser erstes Aufeinandertreffen mit Italien und die Geschichte, warum wir es der kleinen Hundedame Loulou zu verdanken haben, wunderbare Zeiten in Italien verbringen zu dürfen.

Und wem unsere kleine Geschichte gefällt, der kann ja mal darüber nachdenken, ob er uns nicht eine kleine Spende in die Kaffeekasse wirft. Einfach unten auf den Button unten drücken und per Paypal zahlen. Keine Sorge, wir versteuern das ordnungsgemäß.

Aux Bords de la Loire – An den Ufern der Loire VI

Kapitel 6 – Die wilden 90er

Ja natürlich gab es auch bei uns die “wilden Jahre”. Das waren für uns die 1990er Jahre. Wir waren jung und wollten die Welt bewegen. Aus diesem Grund war dann ja auch 1986 die Jugend-Showgruppe “Die Lollipops” entstanden. Wir gehörten in diesem Jahrzehnt zu den Stammgästen auf Vereinsfesten im ganzen Umkreis. Für einen 20minütigen Auftritt gab es dann zwischen 100 und 200 D-Mark. Der Aufwand war natürlich zu hoch dafür, aber wir hatten unseren Spaß. Geprägt wurden unsere 90er aber durch ein kleines Wesen, das uns viel, viel Freude bereitete und einfach so bei uns lebte. Unsere kleine Loulou, die bei uns ihr ganzes Leben verbrachte.

Es war eine schöne Zeit. Das ist jedenfalls das, was bei uns Menschen hängen bleibt. Die Zeit war nicht besser, nein, wir speichern nur die schönen Erlebnisse wirklich länger. Natürlich waren wir auch unbeschwerter als heute. Legendär wurden natürlich auch unsere Schlemmer-Einladungen. Damals zeichnete sich eigentlich schon unsere Leidenschaft für ´s Kochen ab. Für eine Geburtstagsfeier standen wir schon mal zwei Tage in der Küche und bereiteten ein Buffet vor. Auf unserem Küchentisch stand dann meistens ein Drittel des Buffets, der Rest verteilte sich auf eine Anrichte und sonstige Abstellmöglichkeiten in der Küche.

Da mein Geburtstag am 18. April ist und manchmal schon in die Nähe des Osterfestes fällt, gab es unsere Buffets dann auch schon mal an so tollen Tagen wie dem Gründonnerstag. Die Gerichte, die für so ein Buffet auf der Liste standen, zeugten dann auch schon von viel Arbeit und Vorbereitung:

Bifteki – Souflaki – Nudelsalat – Kräuter-Soleier – Tee-Eier – Lachsforelle – Frischkäsetörtchen –  Griechischer Bauernsalat

Natürlich gab es dazu auch andere Dinge, wie Brötchen, Brote, Baguette, Käse, Wurst, etc.. Und wenn dann damals mal einer losließ, “Mensch, macht das doch beruflich” – dann habe ich nur gelacht und geglaubt, mit Versicherungen mehr Geld verdienen zu können. Das wiederum stimmte zwar, aber glücklich konnte man damit nicht werden. Zwei der Gerichte, die ich hier genannt hatte, möchte ich auch als Rezept weitergeben.

 

Tee-Eier

Lachsforelle

1993 bereits verwirktlichten wir zum letzten Mal im Rathaussaal in Filsum eine Show mit unseren Lollipops. Es sollte die professionellste werden, die wir je gemacht hatten. Wir liehen uns Bühneneffekte, Beleuchtungen und hochwertige Mikrophon- und Musikanlagen. Sketche wurden geschrieben, ja sogar ein kleines Heimatstück. Wir nannten es “Auf dem Lande”. Es sollte eine Persiflage auf die Bühnenstücke der zahlreichen Theatergruppen um uns herum werden. Doch am Ende deckten wir ungewollt das Prinzip solcher Stücke auf. Wir hatten ja gar keine Ahnung vom Stückeschreiben. Also besorgten wir uns Bücher mit plattdeutschen Witzen und Geschichten. Dann hatten wir die Idee, zunächst eine schallende Pointe zu finden. Diese würde am Schluss des Stückes kommen. Dabei handelte es sich um einen Witz, den wir mit dem ersten Akt begannen und dann Stück für Stück durch das Gesamte Theaterstück verteilten. Dazwischen brachten wir immer wieder kleine, gespielte Witze aus unseren plattdeutschen Büchern. Am Ende hatten tatsächlich Zuschauer eine Handlung in unserem Werk entdeckt – super! Das war jetzt ein bisschen wie bei Harpe Kerkeling mit seinem “Hurz”. Aber diese Sache brachte uns dann darauf, das sehr viele dieser volkstümlichen Stücke auf genau diese Weise entstanden waren. Und so sah es am Anfang des Mini-Dreiakters aus:

Wir legten uns schwer ins Zeug und sparten nicht an außergewöhnlichen Showeinlagen. Hier nur einige wenige:

Das war der teuerste Sketch, den wir jemals aufgeführt hatten. Ivan Rebroff singt Kalinka. Die beiden Damen, die dazu im russischen Stil tanzen sollten benötigten natürlich gefederte Melkschemel. Gar nicht so einfach zu bekommen. Wir zahlten damals bei der Genossenschaft etwa 90 D-Mark für die beiden Hocker. Bärte und Schminke erhöhten den Betrag auf 100 D-Mark für gerade mal 2 Minuten Auftritt.

Modern Talking – die Legende der 80er – durfte nicht fehlen. Unsere Nebelmaschine war an diesem Punkt noch harmlos. Später sah man die Zwei fast nicht mehr. So vernebelte damals das ZDF auch jegliche Auftritte – war wohl so in Mode.

Diese besondere Begegnung haben wir mit Aufwand geplant. Zunächst drehten wir auf dem Geländer der Deutschen Post in Leer einen Film (natürlich mit Genehmigung). Helmut Kohl fuhr von dort mit seinem Trabbi (das war übrigens meiner, er war lila gespritzt) nach Filsum. Vorher wog er sich noch an einer Parkuhr und wunderte sich, schon wieder zugenommen zu haben. Unter Begleitung unseres damaligen örtlichen Polizisten wurder er in Filsum mit Blaulicht zum Rathaus gefahren – und natürlich vor dem Rathaus durchsucht. Man weiß ja nie – und wir waren damals schon auf Sicherheit bedacht. Bis dahin lief der Film im Saal, dann war er persönich im Rathaus. Und als er am Ende mit Agnes zum Hildegard Kneefs “Für mich sollt ´s rote Rosen regnen” und “Eins und eins, das macht zwei” den Walzer tanzte, blieb kein Auge trocken – manchmal auch vor Rührung. Wer den Kohl gespielt hat? Na wer wohl?

Nach zwei Abenden vor ausverkauftem Haus mit standing ovations ging es uns dann wie den Beatles – wir haben nie Schluss gemacht oder uns getrennt, aber wir wussten, es war vorbei! Zwar traten wir immer wieder hier und da auf, feierten 1996 sogar noch mit vielen Einlagen und einer 4-Mann-Band unser 10jähriges Jubiläum im Rathaussaal, jedoch verließen die Lollipops an diesem zweiten Abend der großen Lollipop-Show für immer ihre heimatliche Bühne im Rathaussaal in Filsum.

Wir denken natürlich gerne an die 1990er Jahr zurück. Damals machte mir mein Versicherungsberuf noch Spaß und wir konnten uns einige Urlaube erlauben. Natürlich fuhren jedes Jahr mindestens zweimal nach Chatillon-sur-Loire zu unserem Wohnwagen. Wir erlebten die Bretagne mit Ihren wunderbaren Leckereien. Von Austern bis Eintopf war alles dabei. Nie durften die wunderbaren Galettes fehlen, die in allen Variationen gemacht werden (…das sind Crêps bzw. Pfannkuchen). Eine einfach zuzubereitende Leckerei ist der Far Breton. Eine Art Pflaumenkuchen. Und hier ist das Rezept.

1993 begann die Zeit, in der wir merkten, dass unser Wohnwagen in Chatillon zwar eine tolle Anlaufstelle war, es uns jedoch – immer in Begleitung unserer kleinen Loulou – durch die wunderbaren Landstriche Frankreichs zog. So brachen wir dann also 1996 zu einer Megatour in die Pyrenäen auf. Eine Woche durchkreuzten wir dieses Dach Europas und sahen Landschaften, erlebten die originalen Höhlenmalereien, um dann schließlich durch das Langeoudoc in die Provence zu fahren, unserer großen Liebe. Wir badeten im Mittelmeer, flanierten an der Promenade des Anglais in Nizza und erlebten Cannes sowie Monaco. In Monaco aber geschah etwas, das wir natürlich auf einem Video dokumentiert haben – jedenfalls teilweise. Wir wollten uns den täglichen Wachwechsel vor dem Palast anschauen. Mit uns wollten das so etwa 2.000 Menschen. Alles wartete still und andächtig, bis unsere kleine Loulou von einem lauten Befehlt eines Soldaten genervt war und zu bellen und knurren begann. 2.000 Menschen lachten über sie. Nur ein Wachmann nicht. Wir versuchten alles, um sie zu beruhigen – keine Chance! Da kam der Wachmann und machte uns klar, der Hund hätte jetzt still zu sein, sonst müssten wir hier weg. Ja toll – da stehen wir hier seit einer halben Stunde, um einen guten Platz zu haben, dann sowas. Weitere Versuche Loulou zu beruhigen scheiterten – da setzte die Kapelle ein. Davor hatte Loulou Angst und war ruhig – Schwein gehabt!

Die Jahre gingen dahin und so machten wir ein letztes Mal Urlaub in unserem Wohnwagen. Bekannte von uns wollten direkt im Anschluss an uns dort eine Woche Urlaub machen. In dieser einen Woche, es war 1996, besuchten wir auf der Route Jacques Cœr nicht weniger als 10 Schlösser, durch die wir zum Teil ganz alleine geführt wurden. Ein wunderbares Gefühl bei bestem Loiret-Wetter. Nur ein Problem wurde immer heftiger. Es hieß Günter Bierstädt. Klar, er war ein netter aber bedauernswerter Mensch. Nur in diesem Urlaub ließ er uns auch keine 5 Minuten alleine, wenn wir in Chatillon waren. So fiel dann der Entschluss, den Wohnwagen zu verkaufen. Unsere Bekannten würden das sicher gerne wollen. Als sie in Chatillon ankamen, waren wir noch da und hatten zusammen mit Loulou unsere letzte Nacht in unserem Wohnwagen im geliebten Chatillon verbracht, ohne, dass wir es jemandem gesagt hatten. Wir ließen sie dort mit Günter alleine und als sie wieder zu Hause waren, besuchten wir sie noch am gleichen Tag und verkauften Ihnen den Wagen für 250 D-Mark nebst Zelt und Gasflaschen. Nur zwei Jahre später verkauften sie ihn an den neuen Betreiber des Jugendcamps auf dem Platz, der ihnen 500,– D-Mark dafür gab.

Unser Wohnwagen nach unserer letzten Nacht dort. – Unglaublich, hier hatten wir uns einmal sehr wohgefühlt.

Die alte Freibeuterstadt Saint Malo war Ostern 1996 unser Ziel.  Eine  Begebenheit darf hier nicht fehlen. Das Hotel befand sich direkt vor dem Strand. Vorgelagert ist eine kleine Insel, auf dem sich das Grab des bretonischen Heimatdichters Chateau Briand befindet. Bei Ebbe konnte man über einen schmalen Gang herüberlaufen, sonst war ein Boot angesagt. Wie immer ging ich mit Loulou morgens Gassi. Es war unser Abreisetag. Es war zwar auflaufendes Wasser, jeoch war der Gang noch frei. Also wollte ich Loulou dort rüber gehen. Da sie nicht wollte, bückte ich mich und nahm sie auf den Arm. Als ich mich dann umdrehte, traute ich meinen Augen nicht. Der kleine Weg hinüber war bereits überspült. Nun ja, das Wasser läuft hier mit 30km/h auf. Unsere kleine Loulou hatte mich vor einer großen Dummheit bewahrt.

Es gab natürlich auch noch eine andere Geschichte, nämlich eine vom Essen. Wir hatten ein Hotel innerhalb der Festung. Dort war es nicht leicht ein Zimmer zu bekommen und es war im Allgemeinen üblich, wenigstens Halbpension zu buchen. Am ersten Abend kamen wir gegen 19.30 Uhr ins Restaurant und waren die ersten. Neben dem Besteck lagen Haken und Ösen, die einem Zahnarztbesteck gleich kamen, Wir hatten das schon mal bei jemandem gesehen, der einen Hummer aß. Doch wir bekamen ein Tier aufgetischt, das zwar auch nach dem Kochen rot wie ein Hummer war, jedoch war es eine Seespinne. Keine Ahnung wie, man soetwas essen muss. Wir versuchten  uns mit dem ein oder anderem Werkzeug, um schließlich die Beine wie beim Hummer aufzubrechen und das weiße Muskelfleisch herauszuziehen. Als dann weitere Gäste kamen, beobachteten wir, dass die das auch so machten. Heute wissen wir, die wussten es auch nicht und haben es uns nachgemacht. Als es am letzten Abend Austern gab, die auf Seetang lagen (wird als Polsterung und Deko gemacht), aß nebenan ein junger Mann auch wohl zum ersten Mal soetwas. Nach den wunderbaren Austern knabberte er nämlich einfach den weniger angenehmen Seetang weg. Ja – so kann das gehn, wenn man es mit Halbpension versucht.

1997 zog es uns dann erstmalig für zwei Wochen in die Normandie und die Bretagne. Wir hatten fast nur bestes Wetter und genossen die herrliche Gegend. Zunächst war selbstverständlich wieder der D-Day angesagt. Dieses Mal eroberten wir die Landungsküste und schauten uns alles an, war wir noch nicht gesehen hatten. Wir vergaßen dabei nicht, auch die wunderbaren Spezialitäten zu kosten. Auch eine Calvados-Brennerei besichtigten wir. Und – wir aßen im Gasthaus, dem Lokal, das wir schon öfter im Fernsehen gesehen hatten. Johannes Börner war der Gastwirt. Er hatte nach dem Krieg hier geheiratet und war hier geblieben. Er stammte aus Sachsen, das war nicht zu überhören. Wir sprachen ihn an und fortan erzählte er uns während unseres gesamten  Aufenthalts in dem Restaurant vom D-Day. Es war beeindruckend das alles von einem Zeitzeugen zu hören. Ich traute mich hier übrigens das erste Mal an Austern heran und war begeistert. Agnes zögerte noch etwas aber schon beim nächsten Essen war sie auch Fan dieser Muschel.

Danach gingen wir wieder an den Strand. Loulou liebte das. Jetzt, wo sie älter geworden war, konnte sie natürlich auch ohne Leine laufen. Ihr gefiel das und sie relaxte gerne dort.

Als wir die Normandie verließen und in die Bretagne aufbrachen, hatten wir schon eine Woche nur die tollsten Fischspezialitäten gegessen. In der Bretagne erwartete uns nun eine andere Welt. Schon die Namen der Dörfer und Städte ließen vermuten, dass Asterix gleich um die Ecke kommen würde. Die Landschaft, Küste und Geschichte war einfach nur beeindruckend.

Es führte kein Weg am westlichsten Punkt des europäischen Festlandes vorbei. Loulou nutzte die Gelegenheit dort natürlich, um noch einen schönen Haufen zu legen. Dann gab es natürlich auf fast jedem Kilometer diese uralten Kalvarien. Das sind steinerne Geschichten. Man hat den Menschen, die ja meist des Lesens nicht mächtig waren, damit Geschichten erzählt. Ebenso findet man immer wieder kleine und große Bäckereien, die die bretonischen Spezialitäten backen. Allem voran der bretonische Keks mit viel Butter. Sobald man aus den Ortschaften und Städten herausfährt, wird man zwangsläufig den Megalithen begegnen, die überall verstreut sind. Nicht zuletzt will man natürlich den sagenumwobenen Zauberer Merlin für sich behalten. Im Mirrroire des Fees, einem kleinen Bergsee, soll sein Grab sein. Sobald man den steilen Hang heruntergestiegen ist, bemerkt man den Zauber in dieser unwirklichen Welt. Langsam steigen kleine Blasen aus dem See. Das sollen in Wirklichkeit nur kleine Schlammkügelchen sein, die durch die Erschütterung im Moorgebiet ein weinig aufgewirbelt werden, wodurch diese Bläschen entstehen.

Nach wunderbaren 14 Tagen in dieser Gegend, in der wir es so geschätzt hatten, die frischen Meeresfrüchte zu essen, fuhren wir zurück. Wir wollten durch das Loiretal nach Chatillon fahren, denn dort wollten wir noch unsere Bekannten in unserem alten Wohnwagen besuchen. Dafür hatten wir aber noch eine Zwischenübernachtung in der Nähe von Angers eingeplant. In einem ehemaligen Schloss, also eigentlich in der Orangerie, hatten wir ein Zimmer gebucht. Als wir das Anwesen fanden, fuhren wir minutenlang durch einen Schlosspark, vorbei an einer verwunschenen Schlossruine, die in den 1930er Jahren abgebrannt war und so belassen wurde, bis wir endlich an der Orangerie ankamen. Der Schlossherr, ein gebürtiger Luxemburger, der gut deutsch sprach, begrüßte uns zusammen mit seiner Frau. Für Loulou galt ab sofort nicht mehr der Leinenzwang, sondern ein Leinenverbot. Schnell hatte sie das verstanden und war der Boss, denn die beiden heimischen Hund hatten nun nichts mehr zu sagen. Der Schlossherr bergrüßte uns auch mit einer negativ klingenden Botschaft, denn man hatte das von uns gebuchte Zimmer vermietet. Dafür wolle man uns aber in der Suite einquartieren, was wir ohne Zögern annahmen.

Essen konnten wir im Schloss nicht und nachdem wir Mittags bereits in Angers in einem amerikanischen Restaurant Burger gegessen hatten, wollten wir gar nicht viel essen. Also fuhren wir los und fanden ein unscheinbares Restaurant direkt an der Nationalstrasse. Alles war sehr alt und einfach, aber man gab sich alle Mühe und war sehr nett zu uns. Eigentlich war das Essen super, doch leider hatten wir uns Nierenragout bestellt. Loulou wunderte sich zunächst, dass wir Ihr Futter bekamen, freute sich dann aber umso mehr über die ihr zugeteilten Happen. Nun ja – lange Rede, kurzer Sinn. Nach zwei Wochen Fisch waren ein Burger am Mittag und Nieren am Abend zuviel. Agnes Magen schaffte das so nicht und sie hatte auch am nächsten Tag noch ausreichend Zeit für unser Himmelbett. Die enorme Ruhe im Schlosspark, die schon fast unheimlich erschien, hatte aber heilende Wirkung.

Die Orangerie
Das Himmelbett
Unser Wohnzimmer

Am Abend des zweiten Tages verkniffen wir es uns, essen zu gehen. Wir holten uns ein paar Leckereien aus der Stadt und genossen diese bei einem Fläschchen Rotwein in unserer Suite. In der Dämmerung trat ich noch eimal heraus auf den Balkon, genoss die Ruhe und den Ausblick auf den Schlossgarten mit seinen Pfauen. Es hatte auch alles etwas Unheimliches. Weil das hier erinnerte doch an den einen oder anderen Gruselfilm oder auch an Edgar Wallace. Es wäre dann für mich nicht mehr so überraschend gewesen, wenn jetzt gerade der Gärtner mit einer Leiche in der Schubkarre vorbei gelaufen wäre. Am nächsten Morgen genossen wir im großen Saal der Orangerie in wirklich historischem Ambiente noch einmal das Frühstück, das der Schlossherr selbst servierte. Dann verabschiedeten wir uns von hier. Zwar meinten wir damals, das wir wiederkämen, doch soetwas sollte man sich nicht damit kaputt machen, dass man es zu wiederholen versucht.

Wir fuhren jetzt auf Chatillon zu. Ich hatte ausgerechnet (ja! wirklich ich hatte es ausgerechnet, denn ein Navi gab ´s noch nicht in unserem Auto), dass wir so gegen 14.00 Uhr auf dem Campingplatz in Chatillon sein würden. Wir waren mit unseren Bekannten, aber auch mit Jean und Bernadette verabredet. Als wir dort ankam empfing man uns wie immer mit offenen Armen. Unser ehemaliger Wohnwagen stand direkt vorne an der Schleuse. Im Wohnwagen sah es aus wie unter dem Sofa. Man hatte sich behelfen müssen, denn das Zelt hatte dem Gewittersturm, der vor ein paar Tagen hier durchzog, nicht standgehalten. Wir hingegen merkten dadurch, dass wir in einer neuen Zeit des Urlaubmachens angekommen waren. Wir hatten zwei Wochen in Hotels gewohnt, mussten nie abwaschen und hatten witziger Weise sogar weniger Geld benötigt, als für einen Campingurlaub. Also schlossen wir bei einem kleinen Drink – oder wie Jean in seiner Halb+Halb-Sprache sagen würde mit einem “petit trink” – mit der Camping-Ära ab. Danach fuhren wir ein kleines Stückchen weiter heimwärts, nämlich bis ins 60km entfernte Montargis, wo wir die letzte Nacht in einem Etappenhotel verbrachten.

Der Tag an dem Diana starb

Wir schrieben den 31.08.1997. Ein wunderbarer Urlaub lag hinter uns. Früh morgens weckten uns die Sonnenstrahlen, die sich schnell wieder zu einer ziemlichen Hitze entwickelten. Ich stand auf, machte mich im Bad fertig, um dann den morgendlichen Gang mit Loulou zu machen. Als ich wiederkam, stand Agnes bereits unter der Dusche. Im Fernseher lief CNN mit “Breaking News”. Zunächst nahm ich das gar nicht richtig war, bis ich unten im Laufband sah, dass Diana in Paris einen Unfall hatte und offensichtlich Ihren schweren Verletzungen erlegen war. WOMM! Das war nur etwa 100km von hier entfernt. Wir wollten an diesem Tag noch nach Paris, da wir in wenigen Wochen mit meinen Eltern dort hin fahren würden. Nur mal auf dem Weg nach Hause das Hotel ansehen und dann noch das Stade de France anschauen, das im kommenden Jahr das Hauptstadion für die WM in Frankreich sein sollte. Zunächst wollten wir uns die Unfallstelle nicht ansehen, rangen uns dann aber doch durch. Am Eingang des Tunnels war der erste Einschlag des Autos zu sehen, ein schwarzer Streifen – alles gerade Strecke. So konnten wir und ein eigenes Bild machen. Da war nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Aber das alles sollte ja nicht ans Tageslicht kommen und wird es auch wohl nie.

Als wir an diesem Tag dort waren, lagen vereinzelt ein paar Blumen da, der Unfall war ja gerade einmal zwölf Stunden her. Wenige Leute fanden den Weg hierher, aber ganz Paris wimmelte von Fernseh-Übertragungswagen aus der ganzen Welt. Als wir drei Wochen später wieder mit meinen Eltern hier waren, war alles eine große Gedenkstätte und der Ort gehörte zu jeder Rundfahrt. Während wir im Café gegenüber saßen, kam ein Taxi herangerauscht, zwei Japanerinnen stiegen aus, legten rote Rosen nieder und fotografierten sich gegenseitig lächelnd vor der Unfallstelle. Und weg waren sie wieder. Na ja – wer ´s mag.

Im Jahr 1999 hatte unsere kleine Loulou einen Bandscheibenvorfall. Das arme kleine Ding musste wirklich Schmerzen aushalten, jedoch konnte man ihr helfen. Den ganzen Sommer durch waren wir zweimal die Woche mit ihr beim Tierarzt. Ihr Bandscheibenvorfall wurde mit Akupunktur geheilt. Danach war sie wieder ganz die Alte.

Dann hielt auch das Internet bei uns Einzug. Gleichzeitig begann ein Boom beim Fliegen. Die Preise wurden erschwinglicher und wir buchten erstmalig einen Flug über das Internet. Wir wollten mit British Midland von Amsterdam nach London fliegen. Durch Vergleiche im Internet fanden wir heraus, dass das die billigste Möglichkeit war. Man muss sich das vorstellen: damals bekam man nach Eingang der Zahlung die Flugtickets noch per Post zugeschickt. Heute checkt man sogar online ein und braucht nur noch sein Smartphone. Das Internet lässt sich wirklich positiv nutzen. Das stellten wir schon bei dieser Reise fest.

Diese Reise fand zwei Wochen vor Weihnachten statt. Also hatten wir bei unseren Besichtigungen unbedingt das Tageslicht zu berücksichtigen. Also planten und buchten wir Besichtigungen akribisch, um möglichst viel zu sehen. Das gelang auch hervorragend. Jedoch, wie sollte wir das alles in unserem Gehirn abspeichern, was wir dort gesehen hatten. Dafür kam mir die Idee, von jedem Jahr ein Tagebuch über unsere Reisen und besonderen Ereignisse zu führen. Nicht alles existiert davon noch digital, aber ausgedruckt reißt es uns so manches Mal dazu hin, den Ordner aus dem Regal zu holen und noch einmal zu erleben, was wir damals erlebt haben.

Was wir so in London erlebten und wie wir das Ende des Jahrhunderts in einem Hotelzimmer in Holland erlebten, davon erzähle ich in der nächsten Woche.

 

Aux Bords de la Loire – An den Ufern der Loire V

Kapitel V – Wir werden sesshaft

Bereits im Herbst 1989 erwarben wir unser Haus im Rathausring. Bevor die aktuellen Mieter allerdings auszogen, verging noch etwas mehr als ein Jahr. Das hieß für uns, noch weiterhin in unserer Oberwohnung ausharren, bevor wir dann im Februar 1991 endlich von unseren neuen Nachbarn mit einem Willkommensbogen begrüßt wurden.

Dennoch ließen wir uns natürlich auch weiterhin nicht unsere Vorliebe für Frankreich nehmen. Wir planten eine neue Jugendfreizeit. Dazu fuhren wir dann im Sommer 1990 mit zwei Freunden dort hin, um noch einmal alles auszuloten. Natürlich war Günter Bierstädt wieder vor Ort. Er hatte alles im Griff. Als wir dann so zusammen saßen, erzählte er uns von tollen Wohnwagen, die hier auf dem Platz sehr günstig ihren Besitzer wechselten. Spontan bat ich ihn, danach Ausschau zu halten und uns bei einer guten Gelegenheit Bescheid zu geben. Zwei Tage später waren wir wieder zu Hause, wohlwissend, dass wir in diesem Jahr wegen des Hauskaufes keinen Urlaub machen würden. Da klingelt das Telefon – Anruf aus Frankreich! Natürlich hatte Günter schon einen Wohnwagen gefunden und wir sollten gleich am kommenden Wochenende wieder nach Chatillon kommen,um ihn anzuschauen und zu kaufen. Der Wohnwagen war Baujahr 1961, also ein Jahr älter als wir! Umgerechnet 700 DM sollte er kosten. Das passte natürlich nicht. Aber irgendwie bekamen wir das dann doch hin. Nur Agnes konnte an diesem Wochenende nicht mit mir dorthin fahren, es ließ sich keine Möglichkeit finden, dass sie Urlaub bekam. Damit wäre dann auch der Wohnwagen hinfällig gewesen. Ein Arbeitskollege bot sich mir an, mitzufahren. Auch für uns war das nicht einfach, mal ebenso im personell schwach besetzten Betrieb beide am Freitagmittag zu gehen.

Als wir um Mitternacht auf dem Platz ankamen, hatte Günter natürlich ein Zelt für uns vorbereitet, so wie wir das besprochen hatten. Glücklicherweise sah man in der Dunkelheit nicht, wie es um uns herum aussah. Als wir das am nächsten Morgen sahen, war uns klar, dass wir hier nicht noch eine Nacht bleiben könnten. Wollten wir auch nicht. Kurz verhandelten wir dann mit der bisherigen Besitzerin, die diesen Wohnwagen offensichtlich schon die letzten 20 Jahre dort stehen hatte. Das ist möglich, denn er taucht auf alten Bildern vom Campingplatz immer wieder auf. Auch wir hatten ihn schon gesehen, wussten aber ja nicht, dass er einmal uns gehören würde. Wir wurden uns schnell einig mit der Eigentümerin, da wir gar nicht handelten. Das wäre auch sicher nicht möglich gewesen. Trotz des Alters war der Wagen, dessen Inneneinrichtung aus Echtholz bestand, sehr gut in Schuss. 700 DM bezahlten wir umgerechnet für ihn. Für uns in diesem Jahr zwar eine enorme Summe, jedoch sollte die sich ausszahlen. Außerdem konnten wir ja etwas Geld “freischaufeln”, da wir mittlerweile die geplante Sommerfreizeit aus verschiedenen, hauptsächlich organisatorischen Gründen abgesagt hatten. Es war uns auch klar geworden, dass es nicht besonders erholsam war, seinen Sommerurlaub einer solch harten Arbeit wie einer Jugendfreizeit zu opfern. Es hat eben alles seine Zeit.

Natürlich hatten Agnes und ich nur “mit der Brechstange” die Möglichkeit, für ein Wochenende hierher zu fahren, um den Wohnwagen gemeinsam für uns bewohnbar zu machen. Günter hatte ihn neben seinen Wohnwagen ziehen lassen, was sicher nicht der beste Standort war. Doch bevor wir dorthin fahren konnten, fragten schon die ersten Bekannten nach der Übernachtungsmöglichkeit, die wir ihnen natürlich nicht verwehrten. Somit waren wir nicht einmal die ersten, die nach dem Kauf dort drin schliefen. In den zwei Tagen, an denen wir dann gemeinsam vor Ort waren, beschlossen wir, Pfingsten wieder hinzufahren, um den Wagen einzurichten. Bis dahin sollte sich aber noch einiges in unserem Leben ändern.

Bevor wir aber 1991 in Urlaub fuhren und sich unser Campingplatz so zeigte, wie auf dem Bild oben, trat unsere kleine Loulou in unser Leben. Eine Mischlingshündin (Zwergpudel und Pekinese sollte es sein). Loulou war noch ein Welpe, gerade einmal 8 Wochen alt, als sie zu uns stieß. Sie war zunächst ganz schwarz. Ihr schlimmstes Problem war das Autofahren. Sie musste sich dann sofort übergeben. Das genau war auch unser Problem im ersten Wohnwagenurlaub. Wir glaubten, wir könnten sie nicht mitnehmen, daher wollten meine Schwiegereltern solange bei uns wohnen, bis wir wieder da sind. Je dichter der Termin jedoch kam, umso mehr scheuten sie sich davor und wir entschlossen uns, Loulou entsprechend impfen zu lassen. Dann durfte sie mit. Nur noch das Problem mit der Reisekrankheit musste gelöst werden. Dafür bekam sie von unser Tierärztin eine Tablette. Die ganze Nacht schlief sie dann im Auto, um ab dem nächsten Morgen eine begeisterte Autofahrerin ohne Probleme zu sein.

Das Bild, das unseren Wohnwagen noch gelb zeigt, war in diesem wunderbaren ersten Urlaub dort schnell Geschichte, denn Jean lästerte so lange herum, bis ich einen Tag opferte und ihn weiß anstrich. Danach erstrahlte er in ganz neuem Glanz.

Und als wir uns so richtig eingerichtet hatten, wollten wir in die Normandie fahren, dorthin, wo wir drei Jahre zuvor kehrt gemacht hatten, weil das Wetter schlechter wurde. Dieses Mal wollten wir trotzdem weiter und bereuten es nicht. Wir übernachteten in einem Etappenhotel in Cherbourg und besichtigten am nächsten Tag die Landungsküste. Dort konnten wir an der beeindruckenden Steilküste den Pont du Hoch besichtigen. Damals durfte man die alten Bunker noch betreten. So kamen wir in den Genuss, auch durch diesen, aus dem Film “Der längste Tag” bekannten Sehschlitz zu schauen, von wo aus man damals am Horizont die gewaltige Armada der Allierten herankommen sah. Klar, dass wir auch den künstlichen Hafen von Aromanche anschauten. Die damals hier gefluteten Pontons verschändeln bis heute die Küste. Man hat sie als Mahnmal hier einfach liegen lassen. Überall begegnet man hier dem “D-Day”, dem 6. Juni 1944. Sogar in Saint-Mere-Eglise erlebt man eine weltbekannte Szene live. Am Kirchturm hat man eine Puppe mit einem Falschschirm angebracht. Diese Szene wurde damals nicht nur im Film gezeigt, sondern sie basiert auf einer wahren Geschichte. In der Nacht vor der Invasion wurde eine Gruppe Falschschirmjäger vom Wind abgetrieben und landete mitten auf dem Marktplatz von Saint-Mere-Eglise. Dort brannte in dieser Nacht ein Haus und alle einschließlich der deutschen Besatzer waren dort. Es wurde ein einziges Gemetzel. Diejenigen, die nicht in das brennende Haus fielen und qualvoll zu Tode kamen, wurde teilweise noch in der Luft erschossen. Der Springer, der am Kirchturm hängen blieb, überlebte als einer der wenigen. Er hing dort unbemerkt bis zum nächsten Tag, als er dann befreit wurde. In einem kleinen Ort fanden wir dann noch ein interessantes kleines Hotel mit Namen “Gasthaus”. Natürlich wussten wir aus vielen Dokumentationen, was sich dahinter verbarg. Ein ehemaliger deutscher Soldat, der nach dem Krieg hier geblieben war. Leider war das Restaurant geschlossen und es sollte noch einige Jahre dauern, bis wir wieder dahin zurück kamen und ihn persönlich kennenlernten.

Ein gruseliger Anblick – aus dieser Perspektive sahen die deutschen Besatzer die Armada der Alliierten ankommen

Symbolisch als Mahnmal für das Gemetzel auf dem Marktplatz von Saint-Mere-Eglise

Natürlich widmeten wir uns auch den wunderbaren Leckereien, die man in diesem von der Landwirtschaft und Fischerei geprägten Gegend ausreichend antrifft. Eine enorm wichtige Rolle spielen dabei Milch- und Sahneprodukte, Äpfel, aber vor allem Käse. Weltbekannt ist der Camembert. Der Original-Camembert kommt aus eben diesem kleinen Dorf namens Camembert.

Der Legende nach entstand dieser Käse durch ein Rezept der Bäuerin Marie Fontaine Harel. Sie beherbergte während der französischen Revolution den Abbé Charles-Jean Bonvoust, einen Priester aus Brie, einem Ort in der Nähe von Paris. Hierher stammt der gleichnamige Käse. Er soll sie in die Geheimnisse der Käseherstellung eingeweiht haben. Es wurde aber wohl schon länger in dieser Gegend ein entsprechender Käse hergestellt. Der französiche Kaiser Napoleon III. verhalf dem Käse zum großen Durchbruch, als er ihn auf die Hoftafel setzen ließ.

Vom normannischen Durchzug hatte ich ja bereits berichtet – das war das Stückchen Würfelzucker, das man in den Mund nahm, um es dann mit einem Calvados “wegzuspülen”. Das macht tatsächlich Platz im Magen für den nächsten Gang. Mit diesem Calvados, also eigentlich einem “Apfel-Cognac” gibt es natürlich viele schöne Gerichte, ob als Hautgericht oder als Dessert. Ein Dessert, aber auch ein willkommenes Zwischengericht ist der “Trou Normand”, das “normannische Loch”. Hierfür wird eine Kugel Apfelsorbet einfach mit etwas Calvados übergossen – himmlisch! Die Wirkung ist übrigens die gleiche wie beim normannischen Durchzug. Ein wunderbares Hauptgericht sind Calvados-Rouladen.

Das Jahr 1991 war für uns geprägt von ganz neuen Erfahrungen. Unser Haus, unser Wohnwagen und natürlich ein Haustier, das einfach so bei uns wohnte und langsam aber sicher das Kommando übernahm. Ganz nebenbei wurde ich 1. Vorsitzender von Blau-Weiß Filsum. Es machte viel Arbeit aber auch viel Spaß. Aus beruflichen Gründen musste ich das Amt aber leider nach zwei Jahren wieder aufgeben. 1992 waren wir dann so oft in Frankreich, dass wir uns zu Hause gar nicht mehr richtig zurecht finden konnten. Pfingsten, dann der Auftritt mit den Lollipops zum 50. Geburtstag von Günter Bierstädt, nur eine Woche später dann unser Urlaub, später noch einmal mit meinen Schwiegereltern und zuletzt mit Bekannten, denen wir es zu verdanken hatten, dass Günter dann nur 3 Tage zu Agnes Geburtstag blieb. Ein Jahr später machte ich mich selbstständig. Es begann zunächst eine aufregende, neue Zeit, richtig zufrieden machte sie uns jedoch nicht.

Wir schrieben das Jahr 1994, als wir von Chatillon aus das erste Mal eine Tour in den Süden Frankreichs machten. Selbstverständlich war das mit großen Problemen vorab verbunden. In unserem Wohnwagen in Frankreich warteten an diesem Samstag mein Bruder und seine Frau auf uns, um uns zusammen mit Günter mit einem französischen Grillen zu empfangen. Wir freuten uns drauf. Damals fuhren wir einen Ford Sierra Kombi in rot. Eigentlich war das so etwas wie ein Traumauto gewesen. Bis zu diesem Tag. Sehr früh morgens fuhren wir los, um schon nachmittags in Chatillon anzukommen. Irgendwo hinter Groningen auf der Autobahn ging etwas kaputt und wir konnten nicht weiter. Später stellte sich heraus, dass der Zahnriemen gerissen war. Der holländische Automobilclub, der kam, nachdem wir an der Notrufsäule versichert hatten, Mitglied zu werden, schleppte uns bis zur nächsten Abfahrt und stellte uns auf dem Parkplatz eine großen Hotels in Haren/NL ab. Von dort versuchten wir jemanden zuhause zu erreichen. Eine Katastrophe! Keiner hatte Zeit, keiner konnte uns holen. Ich hatte den Eindruck, da waren jede Menge Ausreden dabei. Einer, den ich dann zuletzt erreichte, war jemand, der bis heute ein Freund geblieben ist, ohne dass wir das eigentlich gemerkt hatten. Er konnte um 14.00 Uhr da sein, nahm den Weg nach Groningen auf sich und packte uns auf den Trailer. Wir holten unseren geliebten alten Escort ab, den wir ja immer noch als Zweitwagen hatten. Leider, das wussten wir, war der Auspuff kaputt. Reiner, der Retter in der Not aber schweißte ihn so gut es ging zusammen. Das hielt zwar nicht den ganzen Urlaub, doch flickte ich ihn immer und immer wieder mit GumGum und solchen Sachen. Zuletzt schiente ich den letzten Teil sogar mit einem Zeltnagel.

Nachdem das Auto fahrbereit war und wir alles umgeladen hatten, ging es wieder los. Morgens um 5.00 Uhr kamen wir dann mit 12 Stunden Verspätung in Chatillon an. Alle, die uns kannten waren auf und begrüßten uns erleichtert. Im Wohnwagen gegenüber stand ein alter Mann auf und warf sich schützend auf die Wäsche auf der Leine. Vermutlich hat der auch gedacht, wir wären ein wenig “Dummfidelbumm”. Zwei Tage später standen wir morgens um 5.00 Uhr auf, um nach Südfrankreich zu fahren, dort, wo wir auch Hotels gebucht hatten. Der arme alte Mann wachte wieder auf und wirkte wieder etwas verstört. Nachmittags kamen wir dann in der Hitze der Provence in der Nähe von Arles an.

Dieser wunderbare Duft! Überall duftete es nach Lavendel, die Grillen zirpten in einer Lautstärke, die fast ohrenbetäubend war – und der Himmel – dieses Blau, diese Helligkeit. Hier war es so schön, das man verrückt werden konnte. Kein Wunder, dass Vincent van Gogh hier durchgedreht war. Man kann die Eindrücke, die auf uns hernieder prasselten nur mit einem Zitat des berühmtesten provenzalischen Schriftstellers, Marcel Pagnol (er entdeckte den Schauspieler Fernandel, bekannt aus Don Camillo und Peppone) in Worte fassen:

 

…und hier begann eine Liebe! Eine Liebe, die ein ganzes Leben lang währen sollte. Die Liebe zur Provence!

Wir haben in diesen drei Tagen dort so wahnsinnig viel gesehen, dass man das gar nicht alles beschreiben kann. Eines jedoch ist sicher, die mediterrane Küche würde ab sofort in unser Leben einziehen und es nicht wieder verlassen.

Noch einmal wollten wir uns eine Fahrt mit unseren “Lollipops” nach Frankreich antun. Im Jahr des 10jährigen Bestehens der Gruppe, 1996, machten wir uns für eine Woche auf den Weg nach Chatillon-sur-Loire. Mitlerweile gab es eine Erweiterung des Campingplatzes, allerdings ohne Strom und Wasseranschluss. Genau dort brachten wir unsere Leute unter. Von unserem Wohnwagen aus konnten wir alles gut beobachten, jedoch kam die Lautstärke nicht so rüber. Es war eine schöne Zeit, bis die Lollipops die scharfe Bratwurst mit marokkanischem Hintergrund ausmachten – Merguez war das Zauberwort und es gab sie jetzt jeden Tag. Alle waren mittlerweile alt genug geworden und tranken auch entsprechend. Auf der Tour nach Chatillon hatten wir nicht weniger als 20kg Eiswürfel an Bord eines jeden Autos. Als zwei der Jungs an einer Tankstelle in Belgien mit brennender Zigarette aus dem noch rollenden Bulli heraus sprangen und zwei Polizisten sie dabei fast ertappt hätten, sagte ich natürlich meine Meinung. Die Antwort: “Du Spaßbremse!” Also tauschten sie mit zwei anderen und fuhren im rollenden Disco-Bulli mit. Nach einer Nacht mit viel schwarzem Kaffee kamen wir am Vormittag in Chatillon an und bauten die Zelte auf. In der vorletzten Nacht feierten unsere Leute eine rauschende Fete mit lauter Musik an den Ufern der Loire – wir hingegen saßen noch einmal unbekümmert unter dem einmaligen Sternenhimmel von Chatillon vor unserem Wohnwagen und relaxten! Wir merkten dabei, dass die Zeit hier im Wohnwagen auf dem Campingplatz bald vorbei sein und wieder einmal eine neue Zeit für uns beginnen würde. Eines aber würde sich nicht mehr ändern können, das, was in all den Jahren unser Leben so geprägt hatte – die Ufer der Loire!

In der kommenden Woche fällt unsere kleine Geschichte aus, da unsere ganze Aufmerksamkeit unserer Hausmesse in Nortmoor gehört. Danach geht es weiter durch den Rest der 1990er in der Bretagne, im Tal der Loire und zuletzt in London. Natürlich gibt es wieder neue Rezepte. Außerdem berichten wir vom Tag als Lady Di in Paris verunglückte. Wir waren nur wenige Stunden nach dem Unfall dort.

Aux Bords de la Loire – An den Ufern der Loire IV

Kapitel 4 – Begegnungen, die das Leben schrieb

Immer wieder fällt in den zurückliegenden Kapiteln der Name Günter Bierstädt. Heute möchte  ich daher etwas näher auf diesen “Paradiesvogel” eingehen. Günter wurde tatsächlich so etwas wie ein Freund in der kurzen Zeit, in der wir uns kannten. Ein Mensch mit Ecken und Kanten, aber wer hat die nicht? Günter wurde 1942 irgendwo im Ruhrgebiet geboren. Wo genau, das weiß ich nicht. Nach seinen eigenen Erzählungen war er mit einem florierenden Schrotthandel pleite gegangen und schließlich auf der Straße gelandet. Von seiner Familie lebte nur noch seine Schwester, mit der er aber wohl keinen Kontakt mehr hatte. Irgendwann hatte dann der CVJM Oberhausen ein Projekt, bei dem Obdachlosen eine Aufgabe und auch eine kleine Wohnung gegeben wurde. Für Günter, der zu dieser Zeit völlig auf sich alleine gestellt war, begann ein neues Leben. Ein Leben, mit dem er letztlich aber dann doch nicht mehr zurecht kam. Er leitete Jugendgruppen im CVJM-Haus, was aber wohl nicht so klappte und fand schließlich seine Erfüllung als Verantwortlicher für das CVJM-Zeltcamp in Chatillon-sur-Loire, wo er während der Saison von Mai bis Anfang September in seinem Wohnwagen an der Loire “residierte”.

Auf dem Bild oben sehen wir Günter, fertig für den Umzug anlässlich des Nationalfeiertages der Franzosen in Chatillon am 14. Juli 1987. Tagelang hatten wir Servietten zu Blumen gefaltet und einen Umzugswagen, mit dem wir teilnehmen durften, zurecht gemacht. Für Günter war es die Krönung seiner Zeit in Chatillon. Nur alle sieben Jahre fand der Umzug hier statt. Jahre lang hatte er sich darauf gefreut. Hier war er angesehen. Der Bürgermeister kam schon mal zu ihm und zu besten Zeiten hatte Günter sogar den Schlüssel für das Rathaus, den der Bürgermeister bei ihm abholte. Im Mai begann die Zeit des CVJM-Camps in Chatillon mit einem Aufbau-Camp. Freiwillige bauten die stabilen Zelte und Hütten auf. Günter war dabei und war für die Küche verantwortlich – ob die anderen das wollten oder nicht.

Während des Aufbaus benutzte Günter natürlich die große Küche im Gruppenzelt. Nun muss man wissen, dass Günter nicht so richtig lesen und schreiben konnte. Das wirkte sich dann auch auf die Verpflegung der Montagegruppe aus. Die irrsinnigste Geschmacksverwirrung war dann wohl eine Verwechslung gerade wegen der Leseschwäche. Günter machte seine legendären Bratkartoffeln, die nach seiner Ansicht, um zu schmecken, so richtig anbrennen mussten. Zuletzt dann gut pfeffern. Damit das aber so richtig pfeffert – Cayenne-Pfeffer!

Günter sparte bei den Bratkartoffeln natürlich nicht mit Speck und sonstigem Fett – das war nämlich sein Geschmacks-Geheimnis. Jetzt fehlte nur noch die Schärfe. Natürlich hatte man die Verpflegung in Frankreich gekauft und auf den Gewürzdosen standen die französischen Namen. Günter sah das “C” für Chili, erwischte aber “Canelle”, das ist das französische Wort für Zimt. Über Jahre haben die damaligen Teilnehmer von den Zimt-Bratkartoffeln gesprochen und sich geschüttelt.

Günter war es, der uns 1990 den Kontakt vermittelte, der uns einen alten Wohnwagen einbrachte, den wir dann etwa 8 Jahre dort stehen hatten. Aber dazu später mehr.

Am 18. Juli 1992 wurde Günter 50 Jahre alt. Gleichzeitig feierte das CVJM-Camp in Chatillon sein 10jähriges Jubiläum. Mit unserer Jugendgruppe “Die Lollipops” machten wir und daher auf den Weg nach Chatillon, um mitzufeiern und natürlich auch um dort Günter zu Ehren aufzutreten. Es wurde ein bewegender Abend, Günter war schon schwer gezeichnet von all seinen Krankheiten. Er hatte im Jahr zuvor durch eine Verletzung im Rachen, die vermutlich ein Knochen verursacht hatte, mehr als ein halbes Jahr im künstlichen Koma gelegen. CVJM-Verantwortliche und der Bürgermeister von Chatillon waren da und sprachen. Der Campingplatz war wegen Günter mehr als voll. Ich glaube, das war für ihn einer der schönsten Tage in seinem Leben. Als dann die Gruppe forderte “Günter un chanson!”, sang Günter sehr bewegend ein Lied vor allen Gästen.

Und es kam der Tag, da wir Günter so richtig kennenlernten. Wir schreiben den 14. September 1992. Es ist Agnes 30. Geburtstag. Ein Taxi fährt vor – Günter steht unangemeldet mit einer Reisetasche vor der Tür. Erst Schock, dann Freude – dann drei lange Tage. Wir hatten ja ein Gästezimmer, in das wir ihn erst einmal einquartieren konnten. Glücklicherweise hatten wir uns damals vorgenommen, mit Bekannten zusammen am 18. September nach Chatillon zu fahren. Da er nicht sagte, wie lange er bleiben würde, wusste er und wussten wir zugleich, dass er nach drei Tagen wieder abreiste. Nach etlichen Tassen Kaffee und dreimal soviel Zigaretten saß er dann am Abend zwischen den anderen Gästen und plauderte galant mit jedem, der sich ihm zuwandte. Für ihn war das offenbar gleichbedeutend damit, dass er jetzt nicht nur dazu gehörte, sondern auch das Kommando übernehmen konnte. Tat er dann auch. In den nächsten drei Tagen kochte er! Niemand glaubte uns, dass wir keine Chance dagegen hatten. Er trank bis zu 30 Tassen schwarzen Kaffee am Tag und rauchte bis zu 80 Zigaretten. Alles bei uns in der Wohnung, wo wir doch gar nicht mehr rauchten.

 

Von seinem ersten Kochauftritt bei uns weiß ich nicht mehr so viel. Nur, dass wir Abends einen Freund zu Besuch hatten, dem er seine berühmten Bratkartoffeln vorsetzte. Im großen Entenbräter, der an diesem Abend übrigens das letzte Mal benutzt werden konnte,  wurde Speck ausgelassen, Butter dazu getan und die Kartoffeln kamen natürlich auch lange genug dazu. Er würzte reichlich und als sich dann endlich am Boden des Topfes eine schwarze, nicht mehr zu entfernende Kruste gebildet hatte, stellte er fest, dass die Bratkartoffeln zu scharf waren. Also gab er reichlich Erdbeermarmelade dazu, was auch half. Natürlich hatten die Kartoffeln einen guten Geschmack, man durfte aber nicht wissen, wie sie gemacht worden waren.

Als wir Günter zwei Tage später nach Leer zum Bahnhof brachten, begannen wir, das Haus zu “entgüntern”. Es musste Tag und Nach gelüftet werden. Sein Zimmer war regelrecht zu desinfizieren. Aber immerhin konnten wir jetzt ohne die Angst ins Bett gehen, er würde mit einer Zigarette im Bett einschlafen. Ein letzter Versuch, den Entenbräter zu retten scheiterte. Den Elektroherd mussten wir grundreinigen, einige eingebrannten Fettspritzer ließen sich nicht mehr entfernen. Kurze Zeit später mussten wir eine Platte austauschen lassen. Jetzt ging es für einige Tage mit Bekannten nach Chatillon. Ausspannen und sich langsam wieder an normales Essen zu gewöhnen. Ja – wir hatten im eigenen Haus kapituliert. Aber es konnte noch schlimmer kommen. Das mussten wir zwei Jahre später erleben – da stand Günter nämlich wieder vor der Tür! Unangemeldet – versteht sich!

Das Lachen würde uns schon noch vergehen. 1994 war Günter tatsächlich noch einmal nach Filsum gereist. Wieder zum Geburtstag von Agnes. Ihm war ja schon alles vertraut und somit war er gleich der Boss. Wir wagten nicht einmal zu fragen, wie lang er bleiben würde. Das tat dann eine Bekannte von uns in einem “Small-Talk”. Seine Antwort kurz und bündig: “EINE WOCHE!”

Das durfte nicht sein. Kurzfristig hatten wir die Lollipops, die ihn ja kannten, zusammengetrommelt und es sollte einen Abend mit Günter geben. Günter aber kaufte ein (natürlich auf unsere Kosten), besuchte Bekannte (natürlich mit uns als Chauffeur) und er kochte. Zu Beginn – ich werde das Gesicht der Dame in der Fleischabteilung nie vergessen – kaufte er etwa 3kg fetten Speck.

Nachdem er dann etwa 5kg Kartoffeln zum Reibekuchen gemacht hatte und damit unseren Ofen zu Höchstleistungen anspornte, verdarb er meiner Schwiegermutter den Appetit durch die liebenswerte Bemerkung: “Also das Kartoffeln reiben hat seinen Vorteil. Dabei werden die Fingernägel sauber. – Natürlich auch kürzer!” Super! Eigentlich mochte jetzt keiner mehr etwas essen.

Dann stand das Essen mit den Lollipops an. Wo sollten wir denn nun 30 Leute unterbringen? Bekamen wir hin! Wir hatten diverse Kilos an Fleisch in Form von Braten vom Schwein und vom Rind in unserem Gefrierschrank. Das waren Vorräte, die wir angelegt hatten. Günter brauchte sie alle. Ich glaube, er hat nicht weniger als 15kg Fleisch verarbeitet. Alles in viel Fett gebraten, dann mit viel Speck (so etwa 3kg) und Zwiebeln geschmort, natürlich auch stark gewürzt. Geschmack war dran – aber eben durch sein Geheimrezept: FETT! Zum Fleisch gab es einen Kartoffelsalat. Wie? Mit viel fetter Mayonnaise, natürlich verfeinert mit Sonnenblumenöl. Am Ende konnten wir feststellen, dass uns dieses Essen mit den Lollipops eine solche Summe gekostet hatte, dass wir dafür genauso gut auch in ein Restaurant hätten gehen können. Einige der Lollipop-Mitglieder fanden das Essen sogar toll. Trotzdem fiel uns auf, dass immer mehr nachgelegt wurde. Unser Nachfrage ergab, dass man den Braten heimlich draußen entsorgte, was natürlich auch für den Kartoffelsalat galt. Überlebt hätte nämlich diese Fressorgie sonst niemand. Wir machten weiterhin gute Miene zum bösen Spiel und als die Gruppe dann nach Hause ging, nahm eine der jungen Damen auch noch etwas von Günters schmackhaftem Kartoffelsalat mit – wir hatten den nicht einmal angerührt. Einige Tage später berichtete eben diese junge Dame uns, dass ihre Großmutter beim Versuch, den Kartoffelsalat zu essen, der zu einem großen Teil aus ganzen Kartoffeln bestand, fast erstickt wäre. Na Mahlzeit!

Als Günter uns nach einer Woche wieder verließ, stand unser Entschluss fest, uns einen neuen Elektroherd zuzulegen. Überall, wo Günter in diesen Tagen war, hinterließ er einen bleibenden Eindruck. Meine gastfreundliche Großmutter besuchte er an einem Vormittag. Diese hatte den meisten Stress mit der Zubereitung von Kaffee. Davon brauchte Günter an diesem Vormittag immerhin fast zwei Liter. Über seinen Zigarettenkonsum will ich mich besser nicht auslassen. Einmal noch besuchten wir ihn in seiner kleinen Wohnung beim CVJM Oberhausen. Er hatte sich alle Mühe gegeben, doch seine Fressorgien waren auch bei diesem Tagesbesuch fast nicht zum Aushalten. Drei Brötchen für jeden mit viel Aufschnitt, Mittags eine mehr als fette Ente. Irgendwie überlebten wir den Tag. In den Folgejahren kamen wir immer wieder nach Chatillon zu unserem Wohnwagen zurück, um dort Urlaub zu machen. Günter wurde zeitweise wirklich lästig, da er uns keinen Freiraum mehr ließ und ständig bei uns war. In diesen Jahren verfiel er aber auch leider seiner alten Sucht, dem Alkohol wieder. Eine Entziehungskur hatte auch zunächst Erfolg. Doch seine Eskapaden hatten natürlich auch schwere Auswirkungen auf seine Gesundheit. Als wir ihm 1997 zum letzten Mal persönlich gegenübertraten, war er schwer gezeichnet. Es war bereits September und er war immer noch auf dem CVJM-Platz, auf dem aber sonst schon seit Wochen niemand mehr war. Er ernährte sich fast nur noch von Milch. Lieber CVJM Oberhausen – bei all der guten Arbeit, die ihr geleistet habt, hier habt ihr einen dicken Fehler gemacht. Günter war darauf angewiesen, dass man ihn abholte. Er wartete sehr lange, verfiel auch wohl wieder dem Alkohol. Als sie ihn endlich abholten, hat er nur noch die Augen zugemacht und sich gewünscht, nie wieder hierher zurück zu müssen. Das hat er uns bei seinem letzten Telefonat mit uns erzählt.

Am 18. Juli 1998 telefonierten wir mit ihm, um ihm zum 56. Geburtstag zu gratulieren. Er war in diesem Jahr zu krank, um noch einmal nach Chatillon zu fahren. Nachdem wir aufgelegt hatten, wussten wir, dass wir schnell noch einmal nach Oberhausen fahren mussten, denn er hatte wohl nicht mehr lange. Nur wenige Tage später fand man Günter tot in seiner Wohnung. Er hatte Lungenkrebs im Endstadium und war qualvoll daran gestorben. Bei seiner Beerdigung in Oberhausen waren viele der alten Weggenossen dabei. Bei strahlendem Sonnenschein, diesem Wetter, für das er Chatillon so liebte, wurde er in der Nähe des Ruhr-Ufers begraben. Bei allen Eigenarten, die seinen Charakter prägten, war er guter Mensch, der immer an das Wohl der Anderen dachte, auch wenn er das manchmal maßlos übertrieb. Und dafür vermissen wir Dich, Günter!

In der letzten Folge unserer Reihe hatten wir angekündigt, heute noch von “selbstkochendem Fleisch” und einem Profikoch, der wahre Wunder vollbrachte, zu berichten. Nun ja, das wollen wir auch nicht auslassen. Ausgerechnet 1989, dem Jahr in dem der Eiffelturm seinen 100. Geburtstag feierte, waren wir nicht in Frankreich, sondern in Jugoslawien. Im Kosovo brodelte es damals schon, was uns aber nicht davon abhielt, als Mitarbeiter bei einer Jugendfreizeit in Kroatien auf der Insel Pag dabei zu sein. Jugoslawien, zu dieser Jahreszeit “sonnensicher”, so unser Freizeitleiter, war neu in unserem Programm. 24 Stunden Busfahrt standen uns bevor – unglaublich. Das Unternehmen, das für den Veranstalter fuhr, hielt junge Leute wohl für Vieh, das in ähnlich komfortablen Transportern kutschiert wurde. Als wir völlig entnervt endlich auf der Fähre standen und die Sonne Jugoslawiens uns auf den Kopf schien, sehnten wir die Ankunft herbei. Ein relativ großes Haus mit vielen Zimmern, das von den Eigentümern im Sommer frei geräumt wurde, währen sie in “Behausungen” lebten. Wieder gab es ein Problem mit dem Koch. Wir hatten einen Hilfskoch, der Hauptkoch, ein Profi aber kam erst zwei Tage später nach.

Die Versorgungssituation in Jugoslawien war damals katastrophal. Das Geld unterlag einer immensen Inflation. Ein Lebensmittelgeschäft am Ort hatte nur ein bis zweimal in der Woche geöffnet. Wir waren 52 hungrige Mäuler. Für heute Abend aber reichte es ja. Trotzdem konnten wir kaum schlafen. Alle Nase lang brach irgendjemand mit dem Bett zusammen, was zur Folge hatte, dass mein Bruder, der als Mitarbeiter dabei war, stundenlang mit dem Werkzeugkasten durch das Haus lief, um zu reparieren. Wir hatten die Freizeit schlecht geplant und vieles, was für uns selbstverständlich war, gab es hier nicht und machte uns permanent einen Strich durch die Rechnung.

Das folgende Bild zeigt die Bucht mit dem Haus, in dem wir es zwei Wochen aushalten mussten.

Wie auch schon in Chatillon vor zwei Jahren, so könnte man auch hier ein ganzes Buch schreiben. Doch Jugoslawien hatte trotz aller lustigen Geschichten nie diese Wirkung auf uns ausgeübt, wie Frankreich. Als unser Koch nach zwei Tagen ankam, muss er gedacht haben, er landet im Tollhaus. Rund um uns herum feierten die anderen Gruppen ihre Feten an einem wunderbaren, sommerlichen Abend. Bei uns war fast niemand mehr nüchtern und so richtig etwas zu beißen gab ´s auch nicht. Am nächsten Tag sollte es aber etwas zur Entspannung nach einem harten Arbeitstag geben. Ich schaffte es, für den nächsten Abend bei unserer Vermieterin 2 Flaschen mit je 2 Litern Weißwein zu kaufen. Darauf freuten wir uns den ganzen Tag. Nach unserer Besprechung am späten Abend mussten wir zunächst eine etwas naive, sehr junge Mitarbeiterin davon abhalten, den Notarzt zu rufen, da aus der benachbarten Ferienwohnung Geräusche herausdrangen, die daraus schließen ließen, dass dort jemand vor Schmerzen schrie, nur dass diese Geräusche eben rythmisch kamen. Dann endlich gab es den Wein – JA SUPER!! Ich Blödmann hatte mir vier Liter Olivenöl andrehen lassen! Also keinen Alkohol – war auch wohl besser!

Aber die Absurditäten hielten an. Natürlich mussten wir das Haus selbst sauber halten. Dazu gehörten auch die sanitären Anlagen. Agnes und ich hatten unser Zimmer direkt neben einem Badezimmer. Nach zwei bis drei Tagen schlug dann Montezumas Rache zu. Selbst wenn wir einen enormen Vorrat an Kohletabletten dabei hatten, war nicht zu verhindern, dass die Toilette in dieser Nacht unter “Dauerbeschuss” war. Und wenn Montezuma mal Pause machte, musste die Toilette natürlich auch noch für diejenigen herhalten, die des Abends statt Olivenöl richtigen Alkohol getrunken hatten und deren Bett derartig rotierte, dass ihnen schlecht geworden war. Am nächsten Morgen war ein junger Mann – übrigens heute ein sehr guter Gastronom – mit dem Putzen der sanitären Anlagen dran. Mit Unschuldsaugen bat er Agnes, ihm ruhig zu sagen, wenn er etwas falsch machen würde. Bevor sie darauf antworten konnte, ergriff er die Toilettenbürste und scheuerte damit das Waschbecken aus. Von diesem Tag an zogen Agnes und ich es vor, die Außendusche zu benutzen, auch wenn man dort schon mal ein leichtes Stromkribbeln verspürte – darüber haben wir nicht mehr nachgedacht! Der Klobürsten-Reiniger hatte wenige Tage später noch einen Traum, aus dem er mit Geschrei erwachte. Als ich in das Zimmer eilte, schaute er mich wieder mit seinen Unschuldsaugen an und machte mir eine Liebeserklärung. Das war mir auch noch nicht passiert. Ihm aber wohl auch nicht. Vermutlich war das gar kein Traum, sondern die Jungs haben kräftig einen drauf gemacht und er war eben der beste Schauspieler, um Ärger mit mir oder den anderen Mitarbeitern zu verhindern. Ich verhielt mich jedoch sehr vorsichtig, da er auf mich den Eindruck eines Schlafwandlers machte und war froh, dass er schnell wieder im Bett lag.

Das nächste Bild zeigt unsere Terrasse am Abend. Leider trügt der Schein. Wir hatten natürlich überhaupt nicht bedacht, dass wir sehr weit östlich waren und am Abend relativ früh die Dunkelheit einfiel. Lampen hatten wir nicht. Die Helligkeit auf dem Bild macht nur der Blitz. Der Rest wurde von Kerzen erledigt. Unser Programm machte das natürlich zunichte, da wir abends eben draußen nichts mehr sehen konnten und es drinnen zu klein war.

In den nächsten Tagen stellte sich heraus, dass es auch im sonnensicheren Jugoslawien jeden zweiten Tag Sturm, Wind und Regen geben kann. Dazwischen genossen wir die Sonnenstunden. Ebenso stellte es sich heraus, dass der vom Veranstalter angebotene Dienst, zum Einkaufen in die Stadt zu fahren, nicht funktionierte. Aber unser Koch hatte ein Auto. Also nichts wie zum Schlachter – muss schlimm gewesen sein, denn Agnes brauchte schon gleich danach einen Manhattan-Cocktail – vor 11.00 Uhr! Unser Koch hingegen schnitt das gekaufte Fleisch zu einem Gulasch und kochte es wunderbar. Am Abend sollte es Gulasch geben. Wir freuten uns. Dann die Ernüchterung. Der Koch kam leichenblass eine halbe Stunde vor dem Essen mit den Worten an: “Ich wollte das Fleisch aufwärmen, aber es kochte schon von alleine. Ich glaube, wenn wir das essen, verrecken wir alle!” Aber was sollte es dann geben? Er schaffte es, weil er ein Profi war! Mit den Resten aus der Küche bekamen wir ein tolles Abendessen und wer es nicht wusste, der vermisste das Gulasch auch nicht.

Ich möchte auch nicht nur schlecht über diese Fahrt reden. Es gab (Fußmarsch 20 Minuten entfernt) eine kleine Bucht mit glasklarem Wasser und einem schönen Sandstrand. Hierher verschlug es uns an einem der schönen Sonnentage. Ich schlief sofort ein. Meine “Schlaflautstärke” hatte laut den anderen mehr als 80 Dezibel betragen und ließ niemanden sonst schlafen. Sind die aber auch alle empfindlich! Also nahm ich Schwimmflossen, Taucherbrille und Schnorchel und schaute mir die wunderbare Unterwasserwelt an. Ich war so vertieft und begeistert, dass ich erst nach etwa 2 km, die ich heraus geschwommen war, bemerkte, dass es Zeit wurde umzukehren.

Nach zwei Wochen war dann Jugoslawien beendet. Wir waren froh, endlich nach Hause zu kommen und nahmen sogar einen Busfahrer in Kauf, der sich mehr als fahrlässig verhielt. Kurz nachdem wir wieder zu Hause waren, begann der Bürgerkrieg sich in Jugoslawien auszubreiten – wir alle wissen heute, was das hieß. Wir sind nie wieder in Jugoslawien gewesen. Vielleicht können wir das irgendwann einmal nachholen. Von unserer Fahrt nach Frankreich sprechen wir bis heute, Jugoslawien ist schon fast in Vergessenheit geraten. Wir planten natürlich schon auf der Rückfahrt unseren nächsten Frankreich-Tripp.

Im 5. Kapitel unserer Reihe werden wir in Frankreich und in Filsum sesshaft. Natürlich hatte wieder Günter seine Hände im Spiel. Außerdem nistet sich ein wunderbares kleines Wesen bei uns ein.

Aux Bords de la Loire – An den Ufern der Loire III.

Kapitel 3 – Wieder zu Hause und irgendwie alles anders

Als wir wieder zu Hause ankamen, mussten wir uns umgewöhnen. Das lockere Leben vom Loire-Ufer hatte ein Ende und schnell mussten wir wieder unserer täglichen Arbeit nachgehen. Der leckere Landwein aus Frankreich wollte uns allerdings nicht aus dem Kopf. Wir riefen auf dem Campingplatz an und schafften es, Monsieur Günter ans Telefon zu bekommen. Wir bestellten mal eben zwei 12er Kisten vom Landwein, den die Nachfolgegruppe, die auch aus Rhauderfehn kam, mitbringen sollte. Die Überraschung kam prompt nach zwei Wochen. Der Wein schmeckte hier gar nicht so gut, wie in Frankreich. Es war aber kein anderer Wein, es fehlte nur die Atmosphäre. Das war unsere erste Lehrstunde im Geniessen! Das Ambiente, die Atmosphäre beeinflusst die Stimmung, also auch den Geschmack.

Eine besondere Atmosphäre hatten wir ja auch in Paris erlebt. Gerne erinnerten wir uns an jenen Morgen zurück, an dem wir in Chatillon in den Bus stiegen und mit der Gruppe nach Paris fuhren. PARIS! Was hatten wir schon alles von dieser Stadt gehört. Wer hatte denn den Eiffelturm noch nicht irgendwann einmal im Fernsehen gesehen. Und dann endlich standen wir mit dem Buss direkt darunter und wir konnten einen ganzen Tag lang Paris erkunden! Bei wunderbarstem Sommerwetter begrüßte uns die Stadt der Liebe, die wir zu einer Zeit sahen, als sie noch völlig anders war als heute – eben das wunderbare alte Paris.

Unter diesem Jahrtausend-Monument mussten sich nun alle entscheiden, wie man diesen Tag in Paris nutzen wollte. Wir waren eine kleine Gruppe, nur sechs Leute, die bereit waren, Paris zu erkunden.

 

 

Wir nutzten nur sehr selten die Metro, diese einzige U-Bahn der Welt, die auf Gummireifen fuhr. (Jedenfalls hat man uns das so gesagt) Meistens waren wir zu Fuß unterwegs. Wenn ich heute darüber nachdenke, was wir alles gesehen haben, dann wundert es mich immer noch, dass wir wieder zurück gefunden haben. Wir waren auf dem Eiffelturm, auf der Champs Elysée, wir sahen die Mona Lisa und – und – und. Dann kam es natürlich, wie es kommen musste. Wir waren durstig – fanden ein tolles Straßencafé mit Original Pariser Preisen. Aber wir sagten uns zur Beruhigung, dass dieses Lokal mit diesem Preis klar kommen würde, denn ansonsten würden wir sicher mehr bezahlen müssen. Die Sonne knallte erbarmungslos auf die heiße Stadt und verbrannte uns gleich mit. Wir hatten noch etwa 20 Minuten bis zur Abfahrt des Busses und der stand ja am Eiffelturm, welchen wir in Sichtweite hatten. Wir liefen erst einmal gemütlich los, um dann festzustellen, dass es knapp wurde. Wir waren fast eine halbe Stunde zu spät am Bus – aber man hatte, auch wenn der Busfahrer nervös wurde, auf uns gewartet. Zumindest war damit sicher gestellt, dass wir wieder den Feierabendverkehr auf dem Pariser Ring erlebten. Vor unserer Odysée durch Paris machte der Kellner noch ein Erinnerungsfoto von unserer “Stress-Besichtigungs-Gruppe”.

Das Jahr ging ins Land und kein Tag, an dem wir nicht von Chatillon gesprochen hätten. Mittlerweile hatten wir in Filsum die Lollipops, eine Jugendgruppe, gegründet, die Comedy machte, als es so etwas noch gar nicht in der Form gab. In diesem Zusammenhang spielten wir zwei dann auch in Zusammenarbeit mit Greta Schoon, der leider inzwischen verstorbenen ostfriesischen Schriftstellerin, das Silvester-Kult-Stück Dinner for one auf plattdeutsch. Das Essen spielte natürlich neben den Getränken eine wesentliche Rolle. So gab es Hönersoap, Puffert met beeren, aber auch den “blanken Jan Blixen”, weil der Posaunenchor gerade mal den Aufgesetzten komplett weggetrunken hatte. Ende des Jahres hatten wir uns entschlossen, mit dem Zelt nach Chatillon zu fahren, um dort zwei Wochen Urlaub zu machen. Dann sollte Essen und Genuss eine ganz große Rolle spielen. Im Mai ein Anruf bei Günter in Chatillon und der Wunschplatz war reserviert. Das war übrigens ein Traumplatz, den wir nie wieder haben würden. Nach einer langen Nachtfahrt richteten wir uns dann im Juli 1988 unseren Platz ein.

Schon damals stand für uns fest, dass wir ein Land nicht nur sehen, sondern auch schmecken wollten. Wir hatten die Rechnung allerdings ohne meine Mutter gemacht. Sie meinte es zwar gut, jedoch bombardierte sie  uns mit Unmengen an Konserven, die uns in den vierzehn Tagen fern ab der Heimat in der Wildnis am Leben halten sollten. Auf dem Campingplatz in Chatillon war allerdings auch ein kleine Gruppe junger Leute aus Oberhausen – natürlich Vokuhila-Frisur und Manta. Eine der jungen Frauen war eine begnadete Köchin und musste das auch allen zeigen. Es wurde bei Günter gekocht – in Wirklichkeit nutzte man nur seine Gutmütigkeit aus. Denn er kaufte immer kräftig Lebensmittel ein. Am ersten Abend waren wir eingeladen und nahmen die Einladung dankend an. Ich weiß nicht mehr, was es dort gab, es war aber eine deftige Hausmannskost, die wohl in den ostfriesischen Winter, aber nicht in den französischen Sommer passte. Höflich verabschiedeten wir uns in unser Zelt, in dem ein ganzes Bataillon von Dosen verstaut war. Wir waren so müde, dass wir von nächtlichen Gewittersturm nichts mit bekamen. Danach haben wir in diesem Urlaub keine Wolken mehr gesehen.

Die Kathedrale von Orleans war unser erstes Ziel in diesem Urlaub. Beeindruckend! Wir sahen an diesem ersten Tag wirklich eine ganze Menge und immer wieder stießen wir auf die Leckereien der Franzosen. Am Abend wollten wir natürlich vor unserem Zelt zum ersten Mal den Grill anwerfen. Es sollte Koteletts mit Kräutern der Provence geben. Das kannten wir ja schon von der Jugendfreizeit her. Gegen 19.30 Uhr fuhren wir auf den Campingplatz. Vorsichtig ging es über die staubigen Wege, um niemanden zu verärgern. Wir mussten den gesamten Platz einschließlich des weiter hinten liegenden CVJM-Camps durchqueren. An Günters Wohnwagen stoppten wir kurz für ein “Hallo” – da gab ´s die Anmache von der Köchin: “Jetzt wird ´s aber Zeit, das Essen ist schon fertig! Und außerdem: das ist doch kein Urlaub, was ihr da macht!” So sind sie – die Ruhr-Yankees. Bevor ich etwas sagen konnte, warf Günter sich ins Gespräch und bemerkte, das im Urlaub jeder das macht, was ihm Spaß macht! Dem war nichts mehr hinzuzufügen, außer, dass sie uns nicht mehr zum Essen einplanen sollte, denn unser Urlaub besteht aus Ruhe, Zweisamkeit, vielen Konserven und dem Grill, den wir gleich anzünden werden.

So erlebten wir viele schöne Tage an einem wunderbaren Ort, ungestört, wenn wir wollten. Natürlich hatten wir Paris eingeplant. Dazu wollten wir morgens sehr früh los und dann in Paris frühstücken. Wir hatten uns natürlich einen Weg auf der Karte angeschaut, denn ein Navi gab es damals natürlich noch nicht in unserem Auto. Wir waren auch fast am Ziel, einem Parkhaus, fuhren jedoch an der Einfahrt vorbei. Ich stoppte ab, um zu schauen, wie ich fahren musste. Aber hinter uns drängelte ein Franzose herum. Also fuhr ich etwas zur Seite. Der Franzose stoppte neben uns, kurbelte das Fenster herunter und sprach uns in fast akzentfreiem Deutsch an: “Guten Morgen! Sie haben sich verfahren? Wo möchten Sie hin? Kann ich helfen?” Wumms! Das gibt ´s doch nicht. In einer solchen Stadt? Ich schilderte ihm unser Problem und er zeigte mir einen unkomplizierten Weg zurück zum Parkhaus. Diese herzliche Begrüßung hatte uns Paris für alle Zeiten in unser Herz gebrannt. In der Nähe der alten Markthallen nahmen wir dann ein typisches französisches Frühstück ein – mit Croissant und Kaffee aus Pappbechern. Die teuren Restaurants konnten wir uns leider nicht leisten. Ein kleiner gewiefter Spatz leistete uns dabei Gesellschaft.

Nach einem irrsinnig anstrengenden Tag in Paris – wir hatten die halbe Stadt besichtigt – wollten wir uns unbedingt ein Abendessen in Paris gönnen. Da wir noch etwa 2 Stunden zurück fahren mussten, begannen wir für Pariser Verhältnisse sehr früh mit dem Abendessen. Wir saßen bei hochsommerlichen Temperaturen schattig im Außenbereich eines Restaurants. Unsere mangelnden Sprachkenntnisse bescherten uns ein eigenartiges Menü. Es begann mit einem Salade Nicoise, also einer wirklich tollen Vorspeise, dazu ein Glas leckeren Rotwein.

Das Hauptgericht hätte in dieser Jahreszeit eigentlich nicht auf die Abendkarte gehört. Choucroute! Ja wussten wir denn was das war? Es war eine elsässische Spezialität – Schlachtplatte mit Sauerkraut. Viel später stimmten wir in unserem eigenen Rezept “Choucroute á la Gourmet Flamand” dieses Gericht auf den deutschen Gaumen ab.

Im weiteren Verlauf unseres Urlaubes hatten wir vor, für zwei Tage in die Normandie zu fahren. Das genau taten wir auch, hatten jedoch völlig die Entfernung unterschätzt. Wir wollten im Auto übernachten, auch das dürfte kein Problem sein. Das erste Problem hatten wir jedoch damit, dass plötzlich an der Grenze zur Normandie das Wetter deutlich schlechter wurde. Das wollten wir nicht mitmachen. Also besichichtigten wir kurz den Mont-Saint-Michel, dieses gigantische Kloster und drehten wieder um. Wir waren eben noch nicht soweit, hier die Schönheiten und Besonderheiten der Normandie anzuschauen, auch wenn das Wetter vielleicht nicht so gut ist. Eine kulinarische Spezialität dieser Gegend ist übrigens das Salzwiesenlamm. Der der salzige Altlantik hinterlässt hier Spuren und die Flut dringt weit ins Land hinein ein. Das Wasser läuft hier mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 km/h auf. Der Tidenhub beträgt hier satte 12m. Wenn man da an der falschen Stelle steht, hat man keine Chance. Mir sollte Jahre später durch die weise Vorraussicht unseres kleinen Hundes dieses Schicksal erspart bleiben. Nun aber zurück zum Salzwiesenlamm. Es ernährt sich von den salzhaltigen Wiesen vor dem Mont St. Michel und wird dabei “vorgesalzen” – daher auch pré salé. Die Restaurants in der Gegend haben alle ihr eigenes Rezept. Manch ein Schlachter lebt ausschließlich davon.

Wir fanden zurück ins Tal der Loire in ein kleines Örtchen namens Vitré mit einem wunderbaren Restaurant. Und was haben wir dort wohl gegessen? Natürlich – das französische Nationalgericht Steak mit Pommes! Eines sollte man bei der Bestellung allerdings wissen. Auf keinen Fall Medium bestellen, wenn man ein Steak auch Medium haben möchte. Dann eben durchgebraten bestellen. Ich  habe die Befürchtung, dass bei der Steakbestellung “englisch” ein Kellner mit dem Rind ankommt und man darf sich ein Stück heraus schneiden.

Aber Spaß beiseite – wir hatten einen schönen Abend und fanden auch einen Parkplatz, auf dem wir im Auto schlafen konnten. Dort war sogar eine Toilette. In der Nacht war viel los. Heute lässt man so etwas auch besser. Am nächsten Morgen machten wir uns auf einem Feldweg mit stillem Wasser aus der Flasche etwas frisch und fuhren nach Angers. Dort fanden wir mitten in  der Stadt eine gigantische Markthalle mit all den Leckereien, die Frankreich zu bieten hatte.

Es wurde Zeit nach Chatillon zurückzufahren. War richtig schön, als wir dort ankamen. Ach übrigens – unsere Konservendosen stapelten sich immer noch im Zelt. In den nächsten Tagen sahen wir unheimlich viel von der Gegend und erholten uns prächtig, auch wenn man sich das in Oberhausen nicht hätte vorstellen können. Zu den Highlights gehörten unsere Picknicks in den Weinbergen eines der edelsten Weinanbaugebiete Burgunds, nämlich Sancerre. Dieser Wein ist etwas Wunderbares! Den Weißen bekommt man problemlos in Deutschland, den Roten hingegen nur vor Ort oder auf Bestellung bei Gourmet Flamand!

Ein herausragendes Ereignis des Urlaubes war sicher der Besuch des Son et Lumieres Festivals im 30km entfernten St. Fargeau. Viele Licht- und Musikeffekte und 600 Akteure mit Hunden, Pferden und Fahrzeugen bescherten uns einen unvergesslichen Abend.

Einer der letzten Tage dieses Urlaubes war der 18. Juli 1988. Günter, der Platzwart vom CVJM, wurde 46. Wir erlebten zum ersten Mal eine Feier in Frankreich, bei der viele unterschiedliche Menschen aus ganz unterschiedlichen Schichten zusammen saßen und bei Baguette, Wurst, Käse und Wein einen tollen, hochsommerlichen Abend miteinander verbrachten. Auch diese Art zu feiern, war bei uns in Vergessenheit geraten. Hier standen nicht aufwendige Speisen, sondern ein geselliges Zusammensein im Vordergrund. Das aber, was da auf dem Tisch stand war keine Billigware, sondern hochwertige Lebensmittel – denn das schätzt man hier ganz besonders.

Jeder Urlaub geht einmal zuende. So war das jetzt hier auch. Wir hatten zwei volle Wochen hochsommerliches Wetter hinter uns, hatten viel von dem Land geschmeckt, viel gelernt und dabei den schönsten aller Plätze auf diesem einmaligen Campingplatz direkt an der Loire gehabt. Die Dosen? Ach ja, die haben wir nicht wieder mitgenommen. Günter hat sie dankend angenommen.

Ja, es war schön, dass wir neben den deutschen Campingplatzbesuchern auch viele Franzosen, allen voran Jean und Bernadette, kennengelert haben. Jean Ramond war in Chatillon so etwas wie ein Mädchen für alles. Er war bei der Stadt angestellt, arbeitete sehr intensiv bei der freiwilligen Feuerwehr mit und – war in der Saison zusammen mit seiner Frau Bernadette für den Campingplatz verantwortlich. Bernadette arbeitete als Kindergärtnerin im städtischen Kindergarten. Da die Doppelbelastung Kindergarten und Campingplatz im Sommer zu viel war, sorgte unser lieber Günter Bierstädt mit seinem Einfluss beim Bürgermeister dafür, dass sie für diese Zeit von der Arbeit im Kindergarten freigestellt wurde. Viele Jahre bis zu Ihrer Pensionierung im Jahr 2008 besuchten wir sie regelmäßig in ihrer Dienstwohnung,dem alten Schleusenwärterhaus direkt am Campingplatz. Sie kauften sich ein Haus in der Nähe, aber eben mitten in der Stadt. Alles für sie wie geschaffen. Jean machte natürlich alles selbst. Damit hat er sich und Bernadette allerdings einen kleinen Traum erfüllt. Leider haben wir uns in den letzten Jahren etwas aus den Augen verloren. Wir hoffen nur, dass die Zwei noch viele angenehme Jahre gemeinsam in ihrem Traumhaus erleben dürfen. Links neben diesem Absatz sehen wir Jean auf einem Foto aus 2007 zusammen mit Agnes. Unten links sieht man den Bernadettes Garten neben dem alten Schleusenwärterhaus, rechts die Vorderansicht des Hauses. Heute gibt es den Garten nicht mehr. Im Haus und im Garten gibt es heute ein Café, der Campingplatz selbst bleibt eher leer, weil hier wohl die guten Seelen fehlen.

Noch im gleichen Jahr wollten wir wir noch einmal nach Rüdesheim am Rhein reisen. Eine Woche im Herbst dort genießen, wie wir es schon einmal getan hatten. Damals hatten wir Kontakt zu einer Gruppe Engländer bekommen, mit denen wir uns, weil sie gleichzeitig dort sein würden, verabredeten. Wir hatten bis dahin nur ganz altmodisch per Brief miteinander Kontakt gehalten. Natürlich freuten wir uns darauf, sie alle im “International” in der Drosselgasse wiederzutreffen. Doch das Lokal war an diesem besagten Abend wegen einer geschlossenen Gesellschaft für uns nicht zugänglich, bis wir schon vorne am Fenster die lustigen Engländer sahen. Man muss wissen, dass in England um 23.00 Uhr Sperrstunde ist und man bis dahin alles getrunken haben muss, was man möchte. Da unsere englischen Freunde das noch so gewohnt waren, hatten sie schon eine entsprechende Stimmung als wir uns sahen. Hier die Bilder dazu – natürlich kommentarlos.

Ja also, ganz ehrlich – das Essen kam in diesen Tagen doch etwas zu kurz. Wie schon Jahre zuvor wohnten wir mitten in Rüdesheim in der Pension Nägler, bei denen wir ein tolles Frühstück bekamen, uns dann aber den ganzen Tag über alleine ernähren mussten. Das gelang auch ganz gut. Vom Schnitzel, über Kaffee und Kuchen bis hin zum Eis war alles dabei. Haupternährung jedoch war Bier und Wein. Nach drei anstrengenden, aber sehr schönen Abenden mit den Engländern hieß es Abschied nehmen. Sehr herzlich trennten sich unsere Wege im nächtlichen Rüdesheim. Ganz oft, viel in den Briefen und dann bei unserem letzten persönlichen Treffen der Satz: We often remember those wonderful days of Rudesheim! – Wir denken oft an jene wunderbaren Tage von Rüdesheim!

Nächste Woche folgt Teil 4! Dann beschäftigen wir uns unter anderem mit einem, der glaubte, die alteuropäische Küche kochen zu könnnen – sein Geschmacksgeheimnis hat er uns verraten und wir plaudern das nächste Woche hier aus. Sein Kartoffelsalt mit ganzen Kartoffeln brachte einer älteren Dame fast den Erstickungstod ein. Und dann geht es noch um “selbstkochendes Fleisch” und einem Profi-Koch, der wahre Wunder vollbrachte.

Wenn Sie diese Website weiter nutzen, erklären Sie sich mit der Nutzung von Cookies einverstanden. weitere Informationen

Die Cookie Einstellungen auf dieser Website sollten auf "Cookies zulassen" eingestellt sein, um Ihnen das bestmögliche Surf-Erlebnis biten zu können. Wenn Sie diese Website weiter nutzen, ohne Ihre Cookie-Einstellungen zu ändern, oder Sie klicken auf "Akzeptieren" dann erklären Sie sich mit diesen einverstanden.

Schließen